Seit Angela Merkels Ungarn-Entscheidung von Ende August sind 700.000 illegale Migranten nach Deutschland geströmt. Die damalige Aussetzung des Dublin-Verfahrens im Umgang mit Flüchtlingen war eine historische Zäsur, deren Fernwirkung uns erst langsam dämmert. Merkels radikale Grenzöffnung hat nicht bloß einen historischen Massenansturm hunderttausender Muslime befördert – sie war zugleich der Auslöser einer Krise der Rechtsstaatlichkeit. Merkels Handstreich, das geltende EU-Recht einfach außer Kraft zu setzen und lieber freie Regeln der Moralität gelten zu lassen, hat eine Kettenreaktion ausgelöst. Erst wurden Grenzregeln außer Kraft gesetzt, dann wurde das Aufenthalts- und Asylrecht massenhaft gebrochen, zigtausendfach galt hernach auch in Alltagssituation kein „normales“ Recht mehr. Bei Übergriffen auf Christen, Jesiden und Frauen in Flüchtlingsheimen sah die Staatsgewalt lieber weg. Wenn Fernzüge von Flüchtlingen per Notbremse angehalten wurden, gab es keine Strafverfolgungen, überall im Land kam es zu Hausfriedensbruch, Landfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Verstoß gegen das Aufenthaltsrecht und Beleidigung – doch der Rechtsstaat tauchte lieber ab. In Großstädten entstehen nun zusehends größere Parallelgesellschaften islamischer Prägung, die Polizei warnt offen vor gefährlichen No-Go-Areas im Land. Paragraf 63 des Aufenthaltsgesetzes schreibt Kontrollen zwar vor. Aber auch dieser Paragraf wird regelhaft missachtet. Selbst in der Bahn wird mittlerweile bei Migranten massenhaft auf das Kontrollieren der Tickets verzichtet, die Kunst des Wegschauens und Einübens von normalem Rechtsbruch ist Alltag geworden. Die Kanzlerin rief offen nach „kreativen Lösungen“, man dürfe in Anbetracht der Herausforderungen das Recht nicht mehr so eng auslegen – bis hin zum Baurecht.
“Wir erleben in vielen Bereichen eine Art Staatsversagen”
Die Folgen sind verheerend. Das CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn warnt mittlerweile im Ton der Verzweiflung: “Wir erleben in vielen Bereichen eine Art Staatsversagen”. Seine Analyse: “Die Grenze kann nicht gesichert, Recht nicht durchgesetzt, Tausende von Asylanträgen nicht bearbeitet werden.“ Und weiter: „Keine Gesellschaft erträgt es, wenn nicht definiert ist, wer unter welchen Bedingungen ein Teil von ihr werden kann. Deutschland als komplexe moderne Gesellschaft mit den höchsten Sozialleistungen der Welt kann nicht funktionieren, wenn sich quasi jeder durch Betreten des Staatsgebietes selbst zuweisen kann.“
Die Kettenreaktion von Rechtsbrüchen findet nun in den massenhaften Übergriffen auf Frauen an Bahnhöfen ihren traurigen Tiefpunkt. Plötzlich ist die politische Klasse empört und betont pathetisch Dinge, die eigentlich selbstverständlich sind – dass das nicht in Ordnung sei, dass das geahndet werden müsse, dass es keine rechtsfreien Räume geben dürfe, dass Frauen auch weiterhin unbehelligt auf Bahnhöfe gehen sollten, dass das Recht für alle gelte, dass der Staat gegen Übergriffe mit aller Härte des Rechts vorgehe. Wenn ein Staat die Verfolgung eines Rechtsbruch schon proklamieren muss, dann spürt man, wie weit dieser Staat mit seinem systematischen Rechtsbruch gegangen ist.
Bei Flüchtlingen wird mit zweierlei Maß gemessen
Die Migrationspolitik hat uns mittlerweile in ein Stadium der Rechts-Disruption gebracht. Die staatlichen Behörden wissen im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr, wer seine Grenzen überschreitet. Immer mehr Menschen erleben täglich, dass im Umgang mit Migranten Sonderrechte gelten, dass mit zweierlei Maß gemessen wird. Wenn nach den unerträglichen Massenübergriffen auf Frauen die Kölner Politik ernsthaft empfiehlt, Frauen sollte „auf Armlänge Distanz“ zu Männern gehen, dann ist das eine Bankrotterklärung des Staates.
Es verbreitet sich das Gefühl von Rechts- und Führungslosigkeit im Land aus. Die Bürger fühlen sich unbeschützt, die Polizei fühlt sich von der Politik im Stich gelassen, die öffentlich-rechtlichen Medien verlieren wegen zu großer Staatsnähe und blinder Willkommenskultur-Gefolgschaft an Glaubwürdigkeit.
Es wird Zeit, dass der Rechtsstaat wieder Grenzen setzt
Es wird Zeit, dass der Rechtsstaat wieder Grenzen setzt – und das beginnt an den Außengrenzen. Angela Merkels Grenzenlos-Politik ist krachend gescheitert. Seehofers neue Alarmrufe aus Wildbad-Kreuth, Schäubles Lawinenmahnung, Spahns Staatsversagen-Klage, De Maizières Verzweiflungsakte – selbst die eigenen Leute aus der Union bedrängen die Kanzlerin allenthalben zur Korrektur. Die Mehrheit der EU-Staaten ebenfalls, von Warschau bis Kopenhagen macht das Wort vom „Jahrhundertfehler“ die Runde. Die Umfragerekorde für die AfD sollten es ihr zeigen, jeder Hilferuf deutscher Bürgermeister und Landräte, die dramatischen Polizeimeldungen wie die ergebnislosen EU-Konferenzen auch.
Die Bundeskanzlerin müsste endlich umkehren, sich revidieren, die Grenzen wieder schützen und die Willkommenskultur um eine Wahrheitskultur ergänzen. Und diese Wahrheit lautet: Mit einer wilden, illegalen Masseneinwanderung von hunderttausenden muslimischen Männern aus dem gesamten Raum von Marokko bis Bangladesh kann es unmöglich weiter gehen. Jens Spahn formuliert das so: „Die allermeisten dieser zumeist jungen Männer sind in Gesellschaften groß geworden, in denen der Mann mehr zählt als die Frau, wo Antisemitismus und Schwulenhass Alltag sind, in denen es eine hohe Affinität zu Gewalt als Konfliktlösung gibt und in denen der Islam und die Ehre der Familie im Zweifel über allem anderen stehen.“
Die Ereignisse von Köln und Hamburg haben dem Grenzenlos-Deutschland eine Maske vom Gesicht gerissen. Es wird Zeit, die Phase „kreativer Lösungen“ zu beenden und die Normalität des Rechts wieder Geltung zu verschaffen. Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Udo di Fabio bringt es auf den Punkt: „Die Staatsgrenzen sind die tragenden Wände der Demokratien. Wer sie einreißt, sollte wissen, was er tut. Es mag schwer sein, Grenzen in einer wirksamen und zugleich humanen Weise zu schützen, aber diese Aufgabe kann keine Regierung entgehen.“ Zwischen Schießbefehl und Tore-Auf gibt es einen dritten Weg – den der rechtsstaatlichen Vernunft.
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