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Wissenschaft > Gendersprache ist nicht fortschrittlich, sondern reaktionär

Elke Heidenreich: Gendersprache ist nicht fortschrittlich, sondern reaktionär

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„Alles scheint in einer Welle von Erregungskultur gerade in eine Art Gegenaufklärung zu kippen“, sagt Elke Heidenreich im Interview mit der WELT. Die Schriftstellerin, Literaturkritikerin, Kabarettistin und Moderatorin gehört zu den wenigen, die zumindest halbwegs durchschauen, was in der westlichen Welt seit einigen Jahrzehnten schon, das aber immer extremer abläuft. Dies gilt insbesondere auch für das orwellsche, sexistische Gendersprech, das völlig unterschätzt wird. Von Jürgen Fritz.

Elke Heidenreich stellt ihr Buch "Hier geht's lang" auf dem blauen Sofa der Buchmesse Frankfurt vor, Foto: picture alliance/dpa | Susannah V. Vergau
Elke Heidenreich stellt ihr Buch "Hier geht's lang" auf dem blauen Sofa der Buchmesse Frankfurt vor, Foto: picture alliance/dpa | Susannah V. Vergau

Der Protest der (Dauer)Beleidigten, der auf Spaltung abzielt

Ihr Auftritt bei Markus Lanz schlug hohe Wellen. Als „alte weiße Frau“, die „ein Feuerwerkt an Stereotypen“ liefere, wurde Heidenreich von einigen linksradikalen Hetzblättern und Sendern anschließend diffamiert. Dabei ist Elke Heidenreich eine der wenigen, die halbwegs durchschaut, in welche Entwicklung auch Deutschland immer mehr gerät, wie die neomarxistischen Feinde der Aufklärung, der universalen Menschenrechte und des Grundgesetzes diese, unseren geistig-moralischen Grundlagen immer mehr abzutragen und die Menschen inzwischen fast rund um die Uhr gegeneinander aufzuhetzen versuchen.

„Alles scheint in einer Welle von Erregungskultur gerade in eine Art Gegenaufklärung zu kippen“, sagt Elke Heidenreich ganz richtig und fragt im Gespräch mit der WELT: „Wieso sollen nur noch schwarze Autoren schwarze Autoren übersetzen dürfen? Wieso will man alte Bücher auf politische Korrektheit durchforsten und ändern? Wieso gilt sprachliches Gendern als fortschrittlich, obwohl es grammatikalisch katastrophal ist?“ 

Die sozialen Medien (genauer: die elektronischen Kommunikationsplattormen, JF) mit ihren ungefilterten Hassausbrüchen würden viel dazu beitragen, dass Diskussionskultur und Konsens verloren gingen. Das sei kein Nischenthema als vielmehr ein Zeichen einer Spaltung.

Im Netz könne man anonym sein, müsse bei der Argumentation niemandem in die Augen sehen, hänge sich an etwas an, oft ohne alle Hintergründe zu kennen. „Es scheint mir wie der Protest der Beleidigten, der Machtlosen“, sagt Heidenreich (wobei diese längst nicht mehr machtlos sind, da sie sich seit langem immer besser organisieren und gemeinsam zuschlagen, dabei eine enorme Macht entwickeln und zwar keine demokratische solche). Das sei durchaus ernst zu nehmen. „Wir müssen eine Möglichkeit zur Kommunikation finden“ mahnt die Schriftstellerin an.

„Ich bin ein Mensch … alles in mir sträubt sich gegen die gegenderte Sprache … Es grenzt ja auch wieder aus“

Auch zum Thema des Gendersprech äußerte sie sich in dem Interview dezidiert und mit viel Feingefühl für das, worum es eigentlich geht (ein spalterischer Kulturkampf, der auf Rache, auf Verletzung und Zerstörung aus ist), was leider bisher nur wenig erfasst wurde. Im Englischen gebe es teenager, singles, fans – für beide Geschlechter, so Heidenreich. „Hat ein Mann ein Buch geschrieben, ist er ein Schriftsteller, hat eine Frau ein Buch geschrieben, ist sie eine Schriftstellerin. Rede ich von beiden, nenne ich beide. Aber welchen Sinn macht die Sprachverhunzung ‚Schriftsteller:innen‘? Für mich: keinen“, stellt die Literaturkritikerin klar.

„Diese Worte gibt es einfach nicht, das sind Konstrukte“, die dazu führten, dass man Sprechen und beim Lesen ständig stolpere. Wenn sie als Literaturktritiker:innen“ vorgestellt würde, würde sie sofort protestieren. Denn:

Ich bin ein Mensch, der Literatur zu vermitteln versucht. Ich bin Literaturvermittler, von mir aus Literaturvermittlerin, aber ohne Sternchen oder Punkt vor der weiblichen Endung. Ich habe einfach ein anderes Sprachgefühl, und alles in mir sträubt sich gegen die gegenderte Sprache, Intellekt, Gefühl, Spracherfahrung. Es grenzt ja auch wieder aus, es reduziert wieder auf männlich oder weiblich. Genau dazu habe ich keine Lust.“

Damit trifft Heidenreich ins Schwarze. Denn bei dem Gendersprech geht es in der Tat um Ausgrenzung, um Spaltung, um Weglenken von dem Essentiellen, dem Mensch-sein, hin zum Kampf der Klassen, der Gruppen und der Geschlechter, die permanent gegeneinander aufgehetzt werden sollen.

Gendersprache ist nicht fortschrittlich, sondern reaktionär

Dabei trage das Gegendere „doch überhaupt nicht zur Gleichberechtigung bei“ konstatiert Heidenreich. „Es ist im Gegenteil ein Rückschritt und reduziert das Denken wieder auf männlich und weiblich. Für mich ist Gendersprache nicht fortschrittlich, sondern reaktionär (fortschrittsfeindlich, rückschrittlich, JF).“ 

Erst mal zähle der Mensch (das ist das Essentielle, JF). Und ein gewisser Respekt. „Und dann sehen wir weiter, wie weit die Sympathie füreinander reicht. Verteufelt wird nicht.“ Weil, wie sie sagt, „ich Menschen liebe, egal, was und wie sie sind, schwarz, weiß, Mann, Frau oder irgendwas dazwischen.“

Das Wort „feministisch“ aber schließe aus (zumindest im Feminismus der dritten Welle, der sich weit von dem ursprünglichen Anliegen der ersten und auch der zweiten Welle entfernt hat).

„Ich bin für absolute Gleichberechtigung und nicht für einen Vorrang von Frauen“ 

Und dann folgt schon der nächste Schlüsselsatz:

„Ich finde eine totale Gleichberechtigung für ALLE Menschen derart selbstverständlich, dass mich jede Grüppchenbildung immer wieder irritiert.“

Darum sei sie auch weniger ein Freund der Quote als mehr der Qualifikation. Sie sei durchaus feministisch, sei ja schließlich eine Frau und stehe auf der Seite ihrer Geschlechtsgenossinnen.

„Aber ich bin nicht feministisch da, wo es um Ausgrenzung geht. Ich bin für absolute Gleichberechtigung und nicht für einen Vorrang von Frauen um jeden Preis. Also bin ich auch gegen die Quote und für Qualifikation.“

Quelle und weitere Empfehlungen

Hier können Sie das gesamte Interview mit „Literarische Welt“ nachlesen, sofern Sie Welt-Plus-Abonnent sind: „Für mich ist Gendersprache reaktionär“

Und zur Vertiefung unbedingt empfohlen – und das ganz ohne kostenpflichtiges Abonnement:

Quelle: Jürgen Fritz

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