„Wir werden nicht als Verlierer vom Platz gehen“
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat auf der Industriekonferenz ein Bekenntnis zur Zukunft der deutschen Industrie abgelegt, das deren Vertreter zwar gerne hörten, ihm aber nicht so recht Glauben schenkten. Doch Habeck bleibt beharrlich: Wer Probleme nicht nur bestaunt, sondern sie angeht, muss auch Streit in Kauf nehmen, lautet sein Standpunkt. Hier ist seine Rede.Von Robert Habeck

Es ist die hohe Innovationskraft, die unsere Unternehmen haben und die die deutsche Industrie in allen ihren Sektoren, in all diesen Bereichen in allen ihren Ausprägungsformen auszeichnet. Ihr ist es immer wieder gelungen, in den letzten Jahren, Jahrzehnten - im Grunde muss man sagen: in den letzten zwei Jahrhunderten - Neues zu erfinden. Sie hat neue Produkte an den Markt gebracht und damit eine internationale Wettbewerbsfähigkeit hochgehalten, die am Ende dazu geführt hat, dass Deutschland noch über eine mehr oder weniger komplett intakte industrielle Kette verfügt.
Das ist ein Netzwerk, das andere Länder nicht mehr haben. Viele Länder haben ihre energieintensive Industrie bereits verloren. Andere Länder haben sich politisch entschieden, die industrielle Produktion, also auch deren Blue-Colour-Jobs, nicht mehr haben zu wollen und sind zu Dienstleistungs- oder Finanzleistungs-Volkswirtschaften übergegangen.
Nicht so Deutschland. Wir haben diese Stärke auch, weil die Unternehmen sich immer wieder neu erfunden haben und Neues an den Markt gebracht haben. Wir haben eine besondere Forschungslandschaft, eine besondere Kombination von öffentlicher Finanzierung von Forschung und Entwicklung, die dann zum Profit der Unternehmen bereitsteht. Wir haben umgekehrt auch die Unternehmen, die Aufträge an die öffentliche Forschungslandschaft geben, so dass wir auch da wieder ein besonderes Verhältnis haben. Wir haben es immer wieder geschafft, politischen Konsens zu erzielen über die allgemeine Ausrichtung von den Faktoren für die Wirtschafts- und in diesem Fall für die Industriepolitik.
Ich zähle das auf, weil ich jetzt zu den Herausforderungen komme. Und die Herausforderungen sind groß, einige würden sagen: So groß, wie seit vielen Jahren nicht mehr. Ich glaube, das ist nicht einmal übertrieben. Aber bevor wir über die Herausforderungen reden, ist es mir extrem wichtig, in dieser Phase einmal klarzumachen, dass wir uns entscheiden können, mit welcher Haltung wir Probleme angehen: Wir können sie bestaunen, oder wir können sie lösen. Wir können den Kopf in den Sand stecken und glauben die Probleme sind weg, weil wir sie nicht mehr sehen, oder wir können sie angehen. Und wenn man Probleme angeht, die sich teilweise über lange Zeit aufgestaut haben, dann geht das in der Regel nicht, ohne eine Debatte zu führen, ohne Streit zu haben. In einer politisch angespannten Zeit sind Debatte und Streit nicht angenehm.
Deswegen steht über allem ein bisschen die politische Wette, werden diejenigen Unternehmen, die versuchen, etwas Neues zu schaffen und vielleicht auch die politischen Verantwortlichen, die sich den Problemen stellen, am Ende dafür bestraft, dass sie die Debatte, den Streit in Kauf nehmen, oder werden diejenigen kurzfristig profitieren, die sagen, dann lösen wir die Probleme eben nicht. Das ist alles so unangenehm, was soll der ganze Ärger, dann sollen sich doch andere später die Finger daran verbrennen.
Ich glaube, es ist eine Haltungsfrage, die hier einmal zu entscheiden ist. Mit Blick auf die Vergangenheit, auf die Stärken und auch die Entwicklung, die die deutsche Industrie in den letzten Jahren Jahrzehnten hinter sich gebracht hat, haben wir jeden Grund mit einer entschlossenen Haltung nach vorne zu gehen und zu sagen: Ja, die Herausforderungen sind groß. Aber wir werden hier nicht als Verlierer vom Platz gehen. Wir werden diese Probleme nicht mit eingezogenen Schultern oder hängenden Kopf lösen. Wir lösen sie mit breiter Brust und aufgekrempelten Ärmeln. Und wenn wir das tun, dann können wir uns streiten, dann können wir debattieren, aber wir müssen darauf hinarbeiten, dass wir am Ende eine Lösung finden, die dieses Land wettbewerbsfähig und stark macht.