Eigenbedarf: Verknappt Peking den Export zentraler Rohstoffe?
Das Szenario ist nicht völlig neu: In regelmäßigen Abständen signalisiert Peking, es wolle seine Rohstoff-Lieferungen an Europa reduzieren. Darüber wird auch jetzt, im Zusammenhang mit den Folgen der Corona-Krise, in Peking sinniert. Doch diesmal könnte das Problem ernst werden. Es drohen Verknappungen von Kobalt und Lithium, beide unverzichtbar für die Produktion von Batterien und damit von Elektroautos. Die ARD-Börsenexperten Markus Gürne und Thomas Spinnler haben dazu recherchiert. Ein Gastbeitrag.

Die wachsende Abhängigkeit der europäischen und der deutschen Wirtschaft von China zeigt sich in der Corona-Krise einmal mehr. Jetzt verändert die Führung in Peking offenbar die Politik mit Rohstoffen und verknappt deren Ausfuhr. 17 dieser Rohstoffe werden von der Europäischen Union als kritisch, also eine sehr wichtige Ressource für die Wirtschaft eingestuft. Das würde eine Beeinträchtigung der Rohstoffversorgung auch für die deutsche Industrie bedeuten. Zu diesen Rohstoffen gehören Kobalt, ein bläulich-gräuliches Übergangsmetall, und Lithium, ein Alkalimetall. Kobalt wie Lithium werden benötigt für die Produktion von Batterien zum Beispiel für die Elektro-Mobilität.
Doch jetzt wird der Markt enger. Nach einer Untersuchung der Deutschen Rohstoff-Agentur Dera hat Chinas Kurswechsel damit zu tun, dass sich zum einen das Wachstum in China deutlich abkühlt und sich das Land zum anderen höhere Umweltstandards zum Ziel setzt.
Europas Abhängigkeit wächst
Peking beabsichtige außerdem, „strategisch wichtige Rohstoffe verstärkt für die eigene industrielle Fertigung einzusetzen und höherwertige Produkte herzustellen“, heißt es in dem Papier von Dera.
Im Klartext: Die chinesische Führung hat eine veränderte Rohstoffpolitik im Blick. Bei mineralischen Ressourcen wie Seltenen Erden, Magnesium oder Wolfram wächst der Eigenbedarf. Die Versorgung mit Rohstoffen, von denen das Land selbst viel importieren muss, soll laut Dera zudem durch weitere Auslandsinvestitionen abgesichert werden. China ist vor allem in Afrika aktiv und konkurriert dort mit anderen Staaten.
Für den Zeitraum von 2016 bis 2020 dürfte Chinas eigene Nachfrage nach Hightech-Metallen wie Kobalt oder Lithium um über 10 Prozent zulegen, schätzt die Dera. Andererseits müssen viele Länder weiterhin chinesische Rohstoffe beziehen. Bei Magnesium, das etwa im Leichtbau der Auto- oder Computerindustrie eingesetzt wird, hat China einen Produktionsanteil von über vier Fünfteln. Bereits in der Vergangenheit hatte Peking bei einigen Metallen seine Ausfuhren auch künstlich verknappt.
Beeinträchtigung der Rohstoffversorgung droht
Chinas neue Strategie könne dazu führen, dass "kritische Rohstoffe verstärkt für die eigene industrielle Fertigung eingesetzt werden, um höherwertige Produkte herstellen zu können", analysiert Dera. Mögliche Folge wäre "eine Beeinträchtigung der Rohstoffversorgung für die deutschen Industrien und ein intensiverer Wettbewerb in der Herstellung von höherwertigen Materialien und Industriegütern". Die Dera gehört zur Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), die im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums Analysen zur Versorgungssicherheit erstellt.
"Lieferabhängigkeit birgt Gefahr von Engpässen"
Insgesamt stuft die EU 27 Rohstoffe als „kritisch“ für die eigene Wirtschaft ein. Dass davon 17 aus China importiert werden, zeigt die Bedeutung des Reichs der Mitte für den europäischen Kontinent. Aber auch andere Länder seien auf Importe angewiesen.
Eine zu hohe Lieferabhängigkeit „birgt die Gefahr von Versorgungsengpässen, wenn unvorhersehbare Ereignisse oder Konfliktsituation auftreten", so Dera. Industriepolitische Maßnahmen oder Ereignisse wie die aktuelle Covid-19-Pandemie gehören zweifellos zu derartigen Ereignissen.
Studie sieht aber auch Chancen für deutsche Exporte
Angesichts des sich insgesamt abkühlenden Wachstums im Land kommt aber noch ein weiterer Faktor hinzu: Die stärkere Orientierung an höheren Umweltstandards und weniger klimaschädlichem Bergbau könnte auch Deutschland neue Exportmöglichkeiten eröffnen. "Für die deutsche Industrie bedeutet der Paradigmenwechsel der Wirtschaftspolitik Chancen und Risiken zugleich", schlussfolgert Studienautorin Yun Schüler-Zhou.
China ist für Deutschland inzwischen einer der wichtigsten Handelspartner weltweit. "2019 wurden Waren im Wert von 109,7 Milliarden Euro aus China importiert, das waren noch einmal 3,4 Prozent mehr als 2018", bilanziert das Statistische Bundesamt. Aus keinem Land der Welt wurden im selben Zeitraum mehr Güter eingekauft. Bei den Exporten steht China aus deutscher Sicht auf Platz drei, hinter den USA und Frankreich.