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Ausgerechnet Digitalisierungsmuffel zeigen, wie Digitalisierung wirklich geht

Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst ruft zur digitalen Dekade auf. An der Digitalisierung führt kein Weg vorbei - da sind sich alle einig. Aber ausgerechnet diejenigen, die die Digitalisierung nicht ins Schaufenster stellen, wie etwa der Schraubenhersteller Würth und der Seifenproduzent LUSH wissen, wie es wirklich geht, stellt Digitalberater Moritz Mann fest.Von Moritz Mann

Auch die Zukunft sieht Reinhold Würth in der Industrie 4.0. „Ich dränge ganz massiv auf die Einstellung von Informatikern und den Ausbau der Informatik. In 20 Jahren wird der Erfolg vom Unternehmen zu 80 Prozent von Informatik abhängen“, sagt Würth.
Auch die Zukunft sieht Reinhold Würth in der Industrie 4.0. „Ich dränge ganz massiv auf die Einstellung von Informatikern und den Ausbau der Informatik. In 20 Jahren wird der Erfolg vom Unternehmen zu 80 Prozent von Informatik abhängen“, sagt Würth.

Den Satz „Wer jetzt nicht auf den Zug der Digitalisierung aufspringt, der wird so oder so überfahren“, kann ich nicht mehr hören. Das Traditionsunternehmen Würth hat die ersten Züge bewusst verpasst und fährt trotzdem ein Rekordjahr um das andere ein, was daran liegt, dass das geschäftsmodell funktioniert. Digitalisierung ist kein Pflaster für nicht funktionierende Geschäftsmodelle und fehlende Kunden-Beziehungen. Klar, manchmal bietet sie Raum für neue Absatzmärkte, Veränderungen im Geschäftsmodell, für neuartige Kunden-Bindungen und Touchpoints, aber Digitalisierung allein vollbringt keine Wunder. Wer hat es schon immer gewusst? Familienunternehmen wie Würth. 

Deutsches Familienunternehmen Würth zeigt Kante 

Keine Digitalisierung kommt nicht in Frage. Aber der Zeitpunkt für die Transformation intern und extern ist entscheidend. Dafür gibt es zwei gute Beispiele – Würth und LUSH. Sie handeln weniger aktionistisch, sondern setzen Digitalisierung gut geplant, bedacht und mit Kundenfokus um. 

Im Newsroom der Würth-Homepage tauchte das Wort Digitalisierung erst 2018 zum ersten Mal auf. Die Umsätze wurden früher zu 80 Prozent von Außendienstmitarbeitern gemacht. Reinhold Würth hat weiter auf das Geschäftsmodell eines starken Außendienstes gesetzt – mit Erfolg. Und trotzdem sind sie in der digitalen Transformation heute auf der Überholspur. Wie kann das passieren und wie haben sie es geschafft? Kundenzentrierung ist das Stichwort. Die Handwerker waren digital noch nicht bereit für E-Commerce, laut Spiegel hat die Handwerksbranche die Digitalisierung sogar verschlafen – “WhatsApp statt Bürosoftware” ist eine Headline aus dem Artikel, die für mich Kundenzentrierung auf den Punkt bringt. Kunden, hier im Beispiel Handwerker, nehmen immer den für sie einfachsten Weg. Unternehmen beantworten diese Bedürfnisse aber noch nicht adäquat mit einer passenden Lösung. 

Anders Würth: Der Außendienst ist eine wichtige Vertraute in den Baumärkten und Baustellen dieser Welt – das hat Würth genau erkannt. Zu wissen, was die Kunden wirklich brauchen, ist entscheidend, gerade bei einer Transformation. Werden die Bedürfnisse nicht gedeckt, fährt der Digitalisierungs-Zug ins Leere. Das kann sich kein Unternehmen auf Dauer leisten, sogar ein so erfolgreiches Unternehmen wie Würth es ist.

Auch die Zukunft sieht Reinhold Würth in der Industrie 4.0. „Ich dränge ganz massiv auf die Einstellung von Informatikern und den Ausbau der Informatik. In 20 Jahren wird der Erfolg vom Unternehmen zu 80 Prozent von Informatik abhängen“, sagt Würth. Druck aushalten können, Potenziale von Digitalisierung erkennen, aber genau wissen, wann und in welchem Ausmaß das eigene Geschäftsmodell angepasst werden muss, ist die Kunst. 

Timing und Kundenzentrierung müssen dabei Hand in Hand gehen. Was klingt wie Buzzword-Bingo, ist auch in Wirklichkeit Bingo. Denn valides Timing für eine digitale Transformation kann nur entstehen, wenn Unternehmen vorab Kunden genau befragen, wie sie neue digitale Potenziale nutzen würden und auch können. Wenn Aufträge noch per Papier aufgenommen werden, dann braucht es nicht die zweite App-Version. Heißt aus Kundenzentrierung leitet sich ein Timing ab – nicht gleichzeitig und bestimmt nicht andersrum. 

LUSH setzt auf die Menschen 

LUSH ist 1995 aus dem gescheiterten Versandhaus Cosmetics To GO entstanden und produziert Seifen. Die DNA sagt eigentlich: E-Commerce um jeden Preis. Doch das Gegenteil ist der Fall: LUSH baut das Netz der eigenen Läden immer weiter aus. Von eher drittklassigen Lagen zu Filetstücken in Metropolen. Der Betrieb aus Südengland, der mit Duftseifen 800 Millionen Euro umsetzt, setzt wie Würth auf Timing und Kundenzentrierung.

Alles unter einer Prämisse, die ganz groß auf der Website prangt: „Wir sind LUSH – das wird das Unternehmen, das wir uns wünschen.“ LUSH lebt ständige Transformation, aber sie erfolgt ganz natürlich. Dabei baut das Unternehmen auf einer funktionierenden LUSH-Community auf – unabhängig von Social-Media-Plattformen. 2021 zieht LUSH sogar komplett die Reißleine zu Meta. Die Community und der Erfolg der Marke wächst trotzdem weiter, weil LUSH sie ganz offen mitdiskutieren lässt, daraus entstehen Loyalität und gleichzeitig Research-Potenziale. Der Weg ist bemerkenswert: Aus einem Versandhaus, das analog wurde, als alle anfingen digital zu werden und jetzt mit der Power des Analogen auf die digitale Überholspur geht – für mich ein bemerkenswertes Wechselspiel. 

Die digitale Transformation dauert keine Dekade 

Würth und LUSH machen vor, wie Transformation richtig geht. Ich bin auch der Meinung, dass diese Dekade digital geprägt sein wird – mal 1000. Schon allein durch die neuen Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz, wovon wir gerade die ersten in der Breite nutzbaren Anwendungsfälle sehen. Ich bin alles andere als ein Kritiker von digitaler Transformation, ich bin ein Verfechter. Ich bin jedoch auch davon überzeugt, dass Digitalisierung nur funktioniert, wenn sie sich ganz natürlich in das Geschäftsmodell integrieren lässt. Es ist immer ein Miteinander: Ohne digitale Transformation überlebt kein Geschäftsmodell und andersrum überlebt kein Geschäftsmodell durch digitale Transformation. 100 Prozent Kundenzentrierung in jeder Phase der Transformation garantiert, dass egal welche Unternehmensentscheidung getroffen wird, die richtige Zielgruppe Mehrwerte erhält, die sich positiv auf den Unternehmenswert auswirken. Das ist für mich der Königsweg eines jeden erfolgreichen Unternehmens. Und das Beste auf dem Weg: Es wird kein Happy End geben, auch nicht innerhalb einer Dekade. Transformation wird zum Alltag und macht Unternehmen „happy“ ganz ohne „End“. 

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