Seither hat sich in den „Krisenländern“ Spanien, Portugal oder Irland einiges zum Positiven gewandelt. Alle drei Staaten haben bewiesen, dass Haushaltskonsolidierung und Wachstum keine unvereinbaren Gegensätze sind. In Spanien ist das Haushaltsdefizit seit 2012 kontinuierlich gesunken: Von mehr als zehn Prozent auf von der Deutschen Bank erwartete 4,6 Prozent für das Jahr 2015. In Portugal könnte das Staatsdefizit im gleichen Zeitraum sogar von 11,2 auf 3,1 Prozent sinken, falls auch nach dem Regierungswechsel die Konjunkturpolitik beibehalten wird. In Griechenland konnte sich Alexis Tsipras an der Macht halten – allein das ist schon eine gute Nachricht, denn inzwischen setzt er die notwendigen Sparprogramme um. Andere Euroländer haben es dagegen versäumt, Reformen anzustoßen und durchzuführen. Italien dürfte in diesem Jahr gerade einmal ein Konjunkturplus von 0,8 Prozent erwirtschaften. Frankreich liegt mit 1,1 Prozent ebenfalls unter dem Schnitt aller Euroländer.
Die Zahlen zeigen, wie wichtig Reformen für die Entwicklung der Euroländer sind – und sie werden in Zukunft noch wichtiger werden. Ein Großteil der positiven Wirtschaftsaussichten beruht auf kurz- bis mittelfristigen Faktoren. Es handelt sich eher um einen zyklischen als um einen nachhaltigen Aufschwung. Statt jedoch diesen wirtschaftlichen Rückenwind zum Aufbau einer trag- und zukunftsfähigen Volkswirtschaft zu nutzen, lassen einige Staaten, darunter auch Deutschland, ihre ambitionierten Reformagenden schleifen, andere fühlen sich in ihrer ablehnenden Haltung bestätigt. Sollte die EZB ihr Anleiheankaufprogramm, wie jüngst von Draghi angedeutet, über den September 2016 hinaus verlängern, sehe ich sogar eine zunehmende Reformlethargie heraufziehen. Unsicherheiten bergen die Regierungsbildung in Portugal und die Parlamentswahlen in Spanien. Mit dem Zustrom von Flüchtlingen ist eine neue, große Herausforderung auf die Euroländer zugekommen. Die Aufnahme von Flüchtlingen ist richtig – umso wichtiger, dass sie nicht als Feigenblatt für das Aussetzen von dringend notwendigen Reformen missbraucht wird.
Was aber bleibt von einer Eurozone ohne die Konjunkturtreiber Ölpreis, Zinstief, Euroschwäche? Die weltwirtschaftliche Dynamik der zwei Jahrzehnte nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wird es nicht mehr geben. Ohne ein Mehr an Verlässlichkeit und Gemeinschaft könnten die Euroländer in Zukunft den Anschluss verlieren. Neben einer Fortführung der Reformpolitik ist in der Eurozone also auch etwas mehr Mut vonnöten.