Es war der wichtigste Tag seines Lebens. Endlich Präsident, endlich die Nummer eins im Weißen Haus. Dafür hatte er hart gekämpft. Am 20. Januar 2021 wurde Joe Biden als 46. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika vereidigt. Die Zeremonie war symbolhafter denn je, eine bis ins Detail geplante Inszenierung und ein perfekt gekleideter Präsident. Für das höchste Amt seines Lebens hüllte sich der am 20. November 1942 in Scranton, Pennsylvania, geborene Biden fast von Kopf bis Fuß in Stoffe von Ralph Lauren. Sein Mantel, seine Krawatte, sein Anzug und eine Maske in passendem Stoff – sie waren alle vom ikonischen amerikanischen Designer durchgestylt.
„Kleider machen Leute“ hieß eine berühmte Novelle des Schweizer Dichters Gottfried Keller. Und bei Biden passt das alles gut zusammen. Anders als sein Vorgänger Donald Trump, der mit einer Vorliebe für Brioni-Anzüge glänzte, dazu lange, baumelnde Krawatten trug und wie ein Potenzbulle durch die Hallen des Weißen Hauses marschierte, mantelte sich der Neue in das teurere, aber gediegene amerikanische Label des Topdesigners.
Lauren selbst kam einst aus einfachen Verhältnissen, war der Sohn von Fraydl und Frank Lifshitz, einem Anstreicher. Seine Eltern sind aschkenasische Juden gewesen und aus Pinsk in Weißrussland in die USA emigriert. Bevor Lauren also seine Superkarriere startete, hatte er die Armut buchstäblich aufgesogen. Doch spätestens im März 2012 hatte er es endgültig geschafft. Das berühmte „Forbes-Magazine“ schätzte sein Vermögen damals auf 7,5 Milliarden Dollar und Lauren war damit auf Platz 122 der reichsten Männer der Welt.
Doch was hat der Topdesigner mit Joe Biden zu tun? Immer wenn Biden einer politischen Botschaft im US-Wahlkampf und dazu seinem Kampf gegen das Coronavirus Ausdruck verleihen wollte, trug er Stoffe der Super-Bekleidungsmarke. Bei seiner ersten Corona-Impfung war Biden in einem Rollkragenpullover zu sehen und bei seiner zweiten Impfung vor laufenden Fernsehkameras trug er ein Polo mit dem Pony-Logo auf der Brust.
Ralph Lauren, der Aufsteiger, der den amerikanischen Traum vom Underdog zum Milliardär schaffte, verkörpert wie kaum ein anderer Designer die Idee des amerikanischen Erfolgs. Sein Imperium setzt auf Amerika, auf dieses Made in Amerika, seine gesamte Markenbotschaft will auf nichts anderes, als die gesamte Welt auf das großartige Land hinweisen, Menschen aufzufordern, seine Polos und Anzüge zu tragen. Laurens Kleider laden also geradezu dazu ein, sich mit Amerika buchstäblich zu identifizieren, integrativer Teil desselben durch einen gewissen Stil und Mode zu werden.
Und darum ging es auch Jo Biden bei seiner Amtseinführung. Sein Mantel, sein Habitus deutet darauf hin, dass es der neue US-Präsident bescheidener, aber trotzdem elegant mag, dass er harmonischer und weniger aggressiv als sein Vorgänger Trump auftritt. Er nutzt vielmehr die Kunst der Mode auf eine weniger konfrontative Weise. Und nach vier Jahren von Outfits, die offensiv die geballte Macht eines rohen Gewaltmenschen demonstrierten, präsentiert sich Biden in schlichter Eleganz, die in ihrer Leichtigkeit etwas ganz Wunderbares hat.
Ralph Lauren kann sich freuen: Einen besseren Markenbotschafter gibt es derzeit für ihn nicht. Und für alle, die ein wenig wie Biden sein wollen, bleibt nur eins: Zeigen Sie ein gepflegtes Understatement und kleiden Sie sich wie der amerikanische Präsident. Am besten kaufen Sie sich noch zwei Schäferhunde, oder adoptieren diese. Dann haben sie zumindest ein Stück Weißes Haus in ihrem Leben und einen fast präsidialen Stil.