Es war dies heute die zweite Rede von Olaf Scholz an die Deutschen seit Putins Angriff.
Bereits am 24. Februar hatte er den Begriff der Zeitenwende in den internationalen Sprachgebrauch eingeführt und damit die aussergewöhnliche Dimension des russischen Kriegszugs ebenso zum Ausdruck gebracht wie auch das Ende deutscher und europäischer Friedenstaumelei unter dem mehr als dreissig Jahre gelebten Motto „Frieden schaffen ohne Waffen“.
Die Botschaft der heutigen Kanzlerrede an die Deutschen hatte in ihrer historischen Dimension und Einordnung eine andere Unmissverständlichkeit.
Der entscheidende Hauptsatz über dieser Rede ist nach meiner Einschätzung an Klarheit und Signalwirkung nicht zu übertreffen. Scholz lässt nicht den geringsten Zweifel an der Haltung der Deutschen: Diese hätten aus ihrer katastrophalen Geschichte die Lehre gezogen, in der gegenwärtigen Lage Recht und Freiheit an der Seite der Angegriffenen zu verteidigen. „Wir unterstützen die Ukraine im Kampf gegen den Aggressor.“ Und: Das Vermächtnis des 8. Mai 1945 heisse „Nie wieder“.
Ob es eine grosse Rede war, werden eines Tages die Historiker bewerten. Was man schon jetzt sagen kann: Es war eine gute, eine klare Rede, die den Menschen im eigenen Land Orientierung zu geben vermochte. Der Kanzler sprach aus, was die Bevoelkerung in Deutschland und Europa bewegt.
Es gibt Zeiten, in denen Politik binnen weniger Wochen in eine vorher nicht absehbare Bewährungsprobe gezwungen wird. Es sind dies die Zeiten, in denen sich politisches Handeln mehr denn je vom „besten Wissen und Gewissen“ leiten lassen sollte und weniger von demoskopischen oder medialen Pseudo-Orientierungen. Es sind Zeiten, in denen die Verantwortungsethiker das Sagen haben sollten. Scholz befindet sich hier in verlässlicher Tradition aller deutschen Kanzler von Adenauer bis Merkel.