Personalmängel im Politbetrieb
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Wie viel Rückgrat haben deutsche Politiker? Und wie viel Kritik an ihnen ist noch gerechtfertigt? Auch über die Feiertage streitet die Republik munter weiter. Dabei würde ein Blick gen Osten helfen: Dort musste gerade erst ein Staatsmann zu Grabe getragen werden, der den Willen zum Mut noch vorgelebt hat.

Zwischen Kritik und Schadenfreude, Häme und Zynismus und immer neuen Andeutungen, Verdächtigungen und Mutmaßungen, aber auch bedachtsam formulierten und mit Kautelen versehenen Solidaritätsbekundungen teilt sich der Himmel über dem Schloss Bellevue in Berlin. Er gibt den Blick frei auf eine diffuse Gefechtslage. Der wackere parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier, bittet mit genervter Verzweiflung, nun doch mal zumindest über Weihnachten den Druck rauszunehmen, der auf Bundespräsident Christian Wulff ausgeübt werde. Doch die Medien betreiben, einmal von der Leine gelassen und auf die Spur gesetzt, weiter ihr gnadenloses Geschäft. Auch über die Feiertage konfrontieren sie den ersten Mann im Staate mit neu zusammengestellten „langen Fragelisten“ („WamS“, 25. Dezember) und verlangen ultimativ die von Wulff zugesagte „volle Offenheit“ („FAS“, 25. Dezember) sowie eine „umfassende“ Einblicknahme in alle Unterlagen; zunächst in die Kreditunterlagen der den privaten Immobilienkredit des Ehepaars Geerkens bzw. von Frau Geerkens ablösenden BW-Bank. Auch die Oppositionsparteien fordern pflichtschuldig eine vollständige Aufklärung; doch der Führer der größten Oppositionsfraktion im Bundestag, Sigmar Gabriel, scheint von einer auffälligen Beißhemmung befallen. Schon wird spekuliert, dass hier handfeste Steine im Glashaus herumliegen. Und es wird gerätselt, wer eigentlich im Hause Springer aus welchem Grund auch immer das Feuer auf Wulff und damit auch das Amt des Präsidenten freigegeben habe; bislang habe sich der Präsident ja bester Beziehungen zum größten europäischen Boulevardblatt, „Bild“, erfreut, das aber in dieser Affäre nun als Frontrunner fungiere.