In ehrenwerter Gesellschaft
Amerika ist kriegsmüde. In einem Jahrtausend, das so turbulent wie das jetzige begann, erlaubt das frische Perspektiven.

Mein Wort des Jahres ist „Kriegsmüdigkeit“. Es war kein leichter Sommer für die Falken in Washington: Die angekündigte Bombardierung syrischer Militäranlagen wollte niemandem so recht schmecken. Weder der eigenen Bevölkerung, noch den Abgeordneten im Kongress und Repräsentantenhaus und schon gar nicht wichtigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats. So harsch also die Rhetorik gegenüber den Offiziellen in Damaskus war, so schneidig wurde parallel das diplomatische Parkett bespielt. Obama ließ schließlich einen Notausgang öffnen und die Russen nutzten die Gelegenheit. Warum es so kam, mag ein Blick ins Seelenleben des gemeinen amerikanischen Bürgers erhellen. Afghanistan? Schnell raus. Irak? Der größte Fehler seit Vietnam. Syrien? Nicht auch das noch. In einer "aktuellen Umfrage()":http://www.people-press.org/2013/12/03/public-sees-u-s-power-declining-as-support-for-global-engagement-slips/ attestieren Amerikaner ihrem Land eine rekordverdächtige Unlust am Krieg. 92 Prozent der Befragten beobachten, dass ihr Land sich außenpolitisch immer weniger aktiv einmischt. Neben der Erfolglosigkeit (19 Prozent) bisheriger Auslandsabenteuer und deren enormen Kosten (28 Prozent), ist die ausgemachte Hauptursache dieser Entwicklung eben jene Kriegsmüdigkeit (42 Prozent). Noch nie in den vergangenen Jahrzehnten waren die Antworten eindeutiger, die das „Pew Research Center“ und das „Council on Foreign Relations“ von den Befragten erhielten. Jedes andere Ergebnis in der Syrien-Frage hätte Obama also unter erheblichen innenpolitischen Rechtfertigungsdruck gesetzt. Weil das Elektorat für solche Abenteuer nicht mehr zu haben ist. Weil die Wähler, die Beteuerung, die Zukunft ihres Landes liege im Sand des Nahen Ostens begraben, nicht mehr glauben wollen. Es ist verlockend, diese Empirie im Sinne eines romantischen Rationalismus’ zu deuten. Basierend auf der Überzeugung, dass sich die einfacher Bürger als Hauptfinanziers militärischer Eskapaden – die sie mit Steuergeld und ihren Kindern bezahlen – früher oder später verweigern werden.