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> Wo steht Labour nach dem Brexit?

Mit Jeremy Corbyn bleibt Labour auf der Verliererstraße

Labour hat seinen Platz auf der neuen politischen Landkarte Großbritanniens noch nicht gefunden. Eine empfindliche Niederlage in der Herzkammer der Sozialdemokratie wird das Ende des Parteivorsitzenden Jeremy Corbyn einläuten. Auch wenn dieser noch stoisch ruhig bleibt, bereitet sein Umfeld längst alles auf seine Nachfolge vor.

The European

Hätte es eines letzten Beweises gebraucht, dass Jeremy Corbyn die Labour Party in die politische Diaspora führt, so haben ihn die Bürger der nordenglischen Stadt Copeland Ende Februar geliefert. Bei einer Unterhausnachwahl nahmen die regierenden Konservativen Labour das Mandat ab. Das hat es in den vergangenen 35 Jahren nicht gegeben, dass ein Kandidat der Regierungspartei der Opposition bei einer Nachwahl das Mandat abjagt. Nachwahlen sind immer die Chance der Opposition, den Unmut der Bürger auf unpopuläre Entscheidungen der Regierung in Mandatsgewinne umzumünzen. Auch wenn ein Mandat bei der nächsten Parlamentswahl dann wieder verloren gehen mag. In Copeland, ausgerechnet Copeland. Die Arbeiterstadt liegt in der Herzkammer der Sozialdemokratie. Das ist wie Duisburg für die SPD oder Traunstein für die CSU. Seit seiner Gründung im Jahr 1935 hat der Wahlkreis immer einen Labour-Abgeordneten nach London entsandt. Wenn Labour Copeland nicht halten kann, dann ist die Hälfte aller verbliebenen Sitze akut in Gefahr. Seit 2010 regieren die Tories, zuerst in einer Koalition mit den Liberalen, seit 2015 alleine. Da sollte die Labour Party nicht die Frage diskutieren, wie viele Mandate verteidigt werden können. Vielmehr sollte es darum gehen, wie viele Mandate der Regierung sie bei der nächsten Unterhauswahl ergattern können. Doch von dieser Denke ist Labour aktuell genau so weit entfernt wie einst William Hague, der die Konservativen im Jahr 2001 in die Wahl führte und unter dem Strich gerademal ein Mandat hinzugewinnen konnte. Das war zum Höhepunkt der Blair-Jahre, des goldenen Zeitalters der Sozialdemokratie. Damals hatte er es nochmal geschafft, 41 Prozent der Stimmen auf sich zu vereinen. Von solchen Werten ist Labour unter Corbyn weit entfernt. Aktuell liegt die Partei in Umfragen abgeschlagen auf Platz drei, 18 Prozentpunkte hinter den Tories.

Corbyn´s Kampf mit dem Partei-Establishment
Corbyn hatte es von Beginn an nicht einfach. Seit er von der Parteibasis in das Amt gehoben wurde, unterminieren ihn Teile der Labour-Fraktion und des Parteiapparates. Der einflussreiche Lord Peter Mandelson gab dies kürzlich in einem Interview offen zu, er selbst setze täglich alles daran. Doch dieser Führungsstreit kommt beim Wähler erkennbar nicht an. Zudem hat Corbyn sich mit dem Verlassen der pro-europäischen Linie keine Freunde gemacht. Im Parlament verdonnerte Corbyn zuletzt die Unterhausfraktion dazu, mit der Regierung für den Beginn der Austrittsgespräche aus der EU zu stimmen. Pro-Europäer witterten Verrat. Schließlich war die Arbeiterpartei in den vergangenen Jahren immer deutlich im Lager der EU-Befürworter zu finden. Nie so enthusiastisch wie die Liberaldemokraten, eher aus pragmatischen Gründen. Die Parteivorsitzenden von Neil Kinnock über Tony Blair, Gordon Brown und Ed Miliband hatten erkannt, dass die europäischen Sozialgesetze letztlich der eigenen Wählerklientel nutzen. Diese mehr als 30-jährige Konstante fand ein abruptes Ende. Rund 50 Abweichler verweigerten die Gefolgschaft, zudem traten vier Mitglieder des Schattenkabinetts zurück. Mal wieder. Die Wechsel der letzten anderthalb Jahre erinnern mehr an eine italienische Regierung, denn an die offizielle Opposition in der ältesten Demokratie der Welt. Mitunter musste Corbyn Ressorts zusammenlegen, da sich nicht genug geeignete Kandidaten fanden. Stabile und effektive Oppositionsarbeit ist so nicht zu machen.
Labour sucht seinen Platz im post-Brexit Großbritannien
Labour hat erkennbar seinen Platz im Großbritannien des post-Brexit noch nicht gefunden. Dies führt dazu, dass die Partei aktuell von zwei Seiten in die Zange genommen wird. Wem Europa wichtig ist, der stimmt heute für die Liberalen. Die Partei von Tim Farron ist längst nicht mehr so verhasst, wie sie es 2015 war, nachdem sie in der Koalition mit den Konservativen zahlreiche Wahlversprechen über Bord geworfen hatte. Auf der anderen Seite lauert die United Kingdom Independence Party, die vom sozio-ökonomischen Hintergrund im gleichen Becken wie Labour fischt; sie hat nach dem Brexit ihr Themenspektrum erweitert. Setzte die Partei früher monothematisch nur auf Anti-Europa, finden sich neuerdings auch Botschaften zu sozialpolitischen Themen auf den Plakaten. Zudem locken die von Theresa May auf deutlich mehr Sozialpolitik wertlegenden Tories. Dass ihre Botschaften verfangen, haben sie nicht zuletzt in Copeland bewiesen. Unter den neuen Voraussetzungen und ihrem aktuellen Vorsitzenden ist Labour heute ohne erkennbare Machtperspektive. Ohne Aussicht auf baldige Änderung, verlassen erste Labour-Abgeordnete entnervt den politischen Betrieb. Die ehemaligen Mitglieder des Schattenkabinetts, Jamie Reed und Tristram Hunt, zogen sich Ende 2016 aus dem Parlament zurück. Der Posten des Direktors des Victoria and Albert Museums bzw. ein Lobbyisten-Posten beim britischen Atomkraftwerk Sellafield waren für die einstiegen Hoffnungsträger lukrativer als ein Politikleben in der Opposition. Bezeichnende Abtritte.
Corbyn bleibt stoisch ruhig - noch
Eines muss man Corbyn lassen, es ist fast bewundernswert, wie er stoisch Woche für Woche schlechte Umfrageergebnisse über sich ergehen lässt und welche Nehmerqualitäten er bei schlechten Wahlergebnissen zeigt. Noch hält er das Zepter in der Hand, aber sein Umfeld wird zunehmend nervöser. Letzten Monat drang die Information an die Times, dass Labour aktuell die Beliebtheitswerte von zwei linken Politikerinnen, testen lässt: Rebecca Long-Bailey, im Schattenkabinett zuständig für Wirtschaft und Angela Rayner, der Schatten-Erziehungsministerin. Hier wird der Corbyn-Ersatz getestet. Das Umfeld des kauzigen Corbyn scheint verstanden zu haben, dass mit ihm keine Wahlen zu gewinnen sind und kein Staat zu machen ist. Seine altlinken Thesen ziehen im Kreise seiner Jünger von der Momentum Graswurzelbewegung. Sie sind jedoch keinesfalls dazu geeignet, Mehrheiten in der Bevölkerung zu organisieren. Je länger er sich an der Macht hält, desto stärker zementiert dies die Führung von Premierministerin Theresa May.
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