Staat ohne Bürger
Bei der Afghanistan-Konferenz in London stehen die Fragen nach Truppenaufstockung und einer Reintegration der Taliban im Vordergrund. Dabei gerät ins Hintertreffen, worum es beim Wiederaufbau ursprünglich gehen sollte: die Schaffung eines zivilen Staates, der auf eigenen Beinen stehen kann.

Kabul Mitte Januar. Ariana-TV zeigt Präsident Karzai dabei, wie er sieben weitere Minister des neuen afghanischen Kabinetts vereidigt. Parallel dazu läuft auf Tolo-TV die Liveübertragung dessen, was sich draußen abspielt: Aufständische greifen den Regierungspalast und mehrere Ministerien an. Am Nachmittag ist die Situation unter Kontrolle, es hat viele Tote gegeben und ein Einkaufszentrum liegt in Schutt und Asche. Die Szene ist paradigmatisch für das, was gerade in Afghanistan geschieht. Es gibt viele Interessenten für die Macht, aber niemanden unter ihnen, der willens und in der Lage wäre, die Situation wirklich zu kontrollieren. Der Krieg dringt mittlerweile bis ins Herz der Hauptstadt vor. Militante setzen einem durch die Hängepartie seiner Neuwahl angeschlagenen Präsidenten zu, dessen Kandidaten für Ministerposten das Parlament reihenweise durchfallen lässt.