Die Schatten des heiligen Scheins
Papst Benedikt XVI. hinterlässt seinem Nachfolger das schwere Erbe seiner Amtszeit. Die benediktinische Wende hin zu einem neuen Antimodernismus wirft ihre Schatten voraus.

Was wird in der Erinnerung der Geschichte von dem Pontifikat Benedikts XVI. bleiben? Bleiben wird selbstverständlich das, was nun passiert: ein für die Neuzeit beispielloser Rücktritt. Demut, Weisheit, Einsicht in die eigenen Grenzen wird man hier erkennen können, die Respekt abverlangen. Aber es darf nicht verboten sein, auch über mögliche, allzu menschliche Motive nicht einfach hinwegzusehen, bevor die Hagiografen die Deutungshoheit endgültig an sich gerissen haben. Denn was jetzt von Politikern aller Couleur als Heldentat gefeiert wird, hat vielleicht auch noch eine andere Seite: Benedikt verschafft sich durch den Rücktritt einen unglaublichen strategischen Vorteil, den alle seine Vorgänger nicht besaßen. Er kann jetzt an entscheidender Stelle (wenn auch selbstverständlich inoffiziell) mit die Fäden ziehen bei den Vorbereitungen der Wahl seines Nachfolgers. Er will, nach seiner Zwischenstation in Castel Gandolfo, im Vatikan wohnen bleiben und selbst wenn er dort nur für seinen Nachfolger betet, wird seine pure Präsenz zur dauernden Belastung für den „Neuen“. Aber vielleicht hat er sein Haus auch so sicher bestellt, dass ein kritischer Blick auf einen Benedikt XVII. überhaupt nicht nötig sein wird.