Die neue europäische Identität
Wir können Europa auf keinen Fall als Mittelpunkt der Erde betrachten. Denn wir begegnen zunehmend anderen Kulturen, und werden von anderen Denkweisen beeinflusst. Deshalb ist es Zeit, genau festzulegen, was eine europäische Identität heute überhaupt bedeuten soll, welche Gemeinsamkeiten wir haben, außer der Tatsache, auf demselben Kontinent geboren worden zu sein.

Im Jahre 2000, als die Mitgliedschaft in der EU für Ungarn noch eine Utopie war, genoss ich eines Abends mit serbischen Freunden ihren berühmten Sliwowitz. Nach mehreren Stamperl haben sie mich gefragt, warum ich diesen göttlichen Trank schluckweise und nicht auf ex trinke, wie es sich gehört. Ich brummte etwas in meinen Bart; „wisst ihr, bei uns in Europa trinkt jeder wie er will.“ Als es mir bewusst wurde, was ich da gesagt hatte, versank ich fast vor Scham. Es war ein Jahr nach der Bombardierung Serbiens, in Novi Sad lagen die Donaubrücken noch in Trümmern. Wie konnte ich so taktlos sein? – dachte ich und versuchte meinen Ausrutscher zu korrigieren. Doch sie überraschten mich mit „Eigentlich wäre es schön, zu Europa zu gehören, dann könnten wir uns selbst tüchtig bombardieren”. Diese typisch europäische Selbstironie verdutzte mich. Ein bisschen war ich sogar neidisch auf sie. Na klar, sie sind auch Europäer. „Also gut, trink‘ wie du willst“ sagten sie. Ähnlich wie es uns die EU nach unserem Beitritt überließ, unsere Mohnnudeln zu essen, auch wenn dies andere EU-Länder befremdet.