Kachel, Mann!
Vorbei die kachellosen Zeiten! Die Steingutfliese hat ihr Spießerimage abgestreift und kommt nun im modernen Gewand daher. Quadratisch, praktisch, gut war gestern. Heute überzeugt diese Art der Wandgestaltung durch ungewöhnliche Formate und Haptik.

Currygelb und moosgrün sind die eingeprägten Farbbilder meiner Kindheitserinnerungen. Unser Gäste-WC war bis zum Anschlag in beige-braune Kacheln gehüllt, auf denen ein dezentes Blumendekor eine optische Ablenkung vom curryfarbenen Waschbecken und Klo bot. Im großen Bad hatte sich mein Vater – ein Kenner und Liebhaber der Wiesen und Wälder – durchgesetzt, weshalb hier die Wandkacheln in Moosgrün gewählt wurden, die sanitären Objekte hingegen in Lindgrün. Gekachelt waren auch der Flur, der Küchen- sowie der Kaminbereich. "Ist ja so praktisch", befand meine Mutter und schien sich dabei keineswegs unwohl zu fühlen. Das waren die Geschmacksverirrungen der 70er-Jahre, die das Auge des Betrachters so arg strapazierten, dass Kacheln bald darauf als Synonym des Spießertums nahezu ganz von der Bildfläche und damit aus den deutschen Haushalten verschwanden.