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> Vorzeige-Hipster und andere Klischee-Berliner

Ich bin (k)ein Berliner

Keine Stadt ist so klischeebehaftet wie Berlin. Jeder meint zu wissen, wie der Nonplusultra-Berliner zu sein hat. Eine Kritik über ein persönliches Ärgernis.

The European

„Du bist ja so nett, obwohl du Berlinerin bist!“, bekam ich kürzlich zu hören. Meine Art passte so gar nicht in das Bild, das sich meine Gesprächspartnerin seit Jahren in ihrem Köpfchen zu speichern schien. Ihrer Meinung nach grüßen Berliner nicht, sie halten anderen nicht die Türe auf und glänzen auch sonst nicht durch vorbildliche Manieren. Feiertage wissen Berliner gewohnt zu ignorieren, das sähe man auch an den nicht geschmückten Fenstern in der Weihnachtszeit. Diese muffelnden Muffel aber auch! Die „Zitty“ meint ebenfalls zu wissen, wie eine echte Hauptstadtgöre zu sein hat. So zog die Zeitschrift mit „10 Schritte zur Berlinerin“ die Klischees durch den Kakao, ohne dabei in irgendeiner Art und Weise lustig zu sein. Das verdient doch schon mal ein Lob.

Turnschuhe, Vintage-Wohnung und hippes Gemüt
Möchtegern-Berlinerinnen und die, die es wirklich sind, erkenne man, laut der wohl recherchierten Liste, an einem Parka in Matt-Oliv, Röhrenjeans und Turnschuhen, ihre Wohnung sei auf Vintage getrimmt, auf Raufasertapete lege sie schließlich keinen Wert. Zu gewöhnlich. Fahrradfahren täte sie mit Vorliebe bei Wind und Wetter und überhaupt, sei sie ein richtiger Freigeist. Klingt gar nicht mal so schön und dem hippen Gemüt einer Berlinerin, wie sie sonst in Magazinen und Foren beschrieben wird, entspricht das in kaum einem Fall. Besonders der modische Aspekt scheint gar frei erfunden, wo bleibt die Liebe zu Flohmärkten, den Klamotten aus dem überteuerten Vintage-Store und der Frisur, die sie jetzt schon trägt, obwohl sie erst 2014 voll angesagt ist? Und überhaupt, woher kommen eigentlich all diese Klischees?
Die Transformation der Zugezogenen
Unfreundlicher als die Berliner den Klischees nach zu sein haben, zeigen sich jedoch so manche Zugezogene. Oder – ist das einfach Teil ihrer irren Transformation, die sie nach ihrer Umsiedelung in die Hauptstadt erleben? Vielleicht haben Sie diesen besonderen Wandel auch schon mal beobachtet, den viele durchleben, sobald sie die Anschrift vom Kaff in XY in Neukölln oder Wedding geändert haben oder ihr Dasein von fortan auf der Warschauer Brücke zelebrieren? Ihr ganzes Wesen scheint sich mit einem Schlag zu wandeln, vom Optischen mal ganz abgesehen.
Ditt is Berlin?
Und schwups wird aus Jenny eine platinblonde Vorzeige-Hipsterin, mit peinlichen Plateau-Schuhen und extraenger Leggings in den schillerndsten Neon-Farben. In ihrer WG ist sie so sicherlich ein Star und für die Klischeebehafteten unter uns bestimmt von nun an der Inbegriff einer echten Berlinerin. Nie würde man sie in Bezirken wie Charlottenburg und Wilmersdorf finden, was soll man schließlich dort, da gibt es doch nichts zum Weggehen und die Leute, Gott bewahre, damit wolle man sich doch nicht abgeben. Ditt is Berlin? Na, eures vielleicht. Ich genieße derweil mein Rentnerdasein im unhippen Westteil und freue mich über die nicht vorhandene Anwesenheit der ach so coolen Klischee-Berliner. Und vielleicht bleibe ich trotz allem doch in Augen vieler eine „waschechte Berlinerin“. Doch, wissen Sie was? Das ist mir so was von egal.
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