Die Tattoo-Gesellschaft exponiert sich
Jeder neunte ist in Deutschland tätowiert. Die Tätowierkultur erlebt eine Renaissance wie nie zuvor. Doch was steckt eigentlich dahinter – außer Selbstinszenierung? Reines Rebellentum oder doch die Suche nach einem Stück Heimat?

Ganzkörper- und Gesichtstattoos sind „in“. Das rituell zelebrierte „Arschgeweih“ „out“. Ob die Beckhams, Johnny Depp, Sarah Connor, Tommy Lee oder Fußballer wie Mesut Özil, Lukas Podolski oder Jérôme Boateng – sie alle sind tätowiert. Nie erlebte das Tattoo eine derartige flächendeckende Renaissance wie derzeit – quer durch alle gesellschaftlichen Schichten hindurch. Statt monolithischer Blässe gleichen viele Körper Litfaßsäulen. Tattoos haben mittlerweile Starqualität, setzen Trends und finden Millionen von Nachahmern. Die Zeiten als die Tattoos verpönt, Brandzeichen und Signum des Inhumanen von Sklaven und KZ-Häftlingen waren, sind vorbei. Aber auch 08/15 Tätowierungen gehören der Vergangenheit an wie die Stigmatisierung ihrer Träger. Das Tattoo ist längst aus den Abgründen in die Kunst und Lifestyle-Szene abgewandert, ist keineswegs mehr Zeichen subalterner Kultur von Underdogs, Räubern, kriminellen Bandenmitgliedern, Matrosen oder Prostituierten, die ihnen als ätzendes Mahnmal anlastete.