Der Völkermord an den Armeniern war nur der Anfang
Armenische Mädchen, von Soldaten des jungtürkischen Regimes ans Kreuz genagelt. Um ihres Glaubens willen. Dieses Bild ist grauenerregend. Es ist eine der raren Originalphotographien, die Augenzeugen in den Jahren 1915 und 1916 aus dem Gebiet Armeniens herausschmuggeln konnten. Am 24. April jährt sich der Beginn dieses Genozids, vor genau 103 Jahren begann der armenische Holocaust.

Das Armenien, das bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts existierte, ist ausgelöscht. Das Bild der armenischen Mädchen, gekreuzigt – es ist unerträglich. Es ist eine Originalquelle. So sah es, wer sehen wollte, vor etwas mehr als hundert Jahren überall in West- und Zentralarmenien, einem Gebiet, das heute als „Nordost-Anatolien“ bezeichnet wird. Wobei die Männer in aller Regel ausnahmslos ermordet wurden, während Frauen und Mädchen oft nicht gequält und ermordet, sondern entweder als Sklavinnen verkauft oder zu sexueller Ausbeutung missbraucht wurden. Der Völkermord im Vorgängerstaat der heutigen Türkei verfolgt uns bis heute. In Herford ließen Verantwortliche in der DITIB-Moschee eine ganze Reihe von Kindern aufmarschieren, mit Plastikgewehren. Die Jungens paradierten in militärischem Gleichschritt vor einer übergroßen türkischen Fahne und ließen sich dann theatralisch zu Boden fallen – wie getötete Soldaten. Mit dieser makabren Vorführung sollte an die Schlacht von Gallipoli erinnert werden, war aus der Moschee zu hören. Und angesichts massiver Proteste in der Öffentlichkeit setzte man hinzu, dass es bereits „personelle Konsequenzen“ gegeben habe. Die Nachfrage von Journalisten, worin denn diese Konsequenzen bestünden, wurde lapidar beantwortet: Der Betreffende sei ermahnt worden. Zu deutsch: Die Öffentlichkeit wurde gehörig hinter die ostwestfälische Fichte geführt, und die islamische Geistlichkeit in türkischen Diensten ist im beschaulichen Nirgendwo am Eggegebirge wohl ernsthaft der Meinung, damit käme sie durch. Und wirklich: Der Aufschrei in der Öffentlichkeit blieb weitgehend aus. Die Moschee ist nicht geschlossen, es gibt keine Ermittlungen wegen Volksverhetzung, ja, nicht einmal die Unterbringung der betroffenen Kinder in Einrichtungen, in denen sie nicht derart missbraucht werden, scheint erwogen worden zu sein. Liegt es daran, dass die vom türkischen Staat kontrollierte DITIB gewisse Freiheiten genießt? Wird hier eine „soumission“ im Sinne Houellebecqs bereits Wirklichkeit?