„Äh, Fotze“ – Leben mit Tourette-Syndrom
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Vincent kämpft mit seinen Tics, er leidet am Tourette-Syndrom. Im Interview erklärt Drehbuchautor und Hauptdarsteller von “Vincent will Meer”, Florian David Fitz, wie er sich der Rolle angenähert hat und wie er die Schauspielkunst interpretiert. Das Interview führte Alexander Görlach.

*The European: In Ihrem Film “Vincent will Meer” wird der Umgang mit Behinderten thematisiert. Wo genau fängt man an, wenn man diese Figur Vincent entwirft?* Fitz: Zuerst gab es natürlich die Figur. Ich hatte einfach diese Idee, jemanden zu zeigen, der Tourette hat. Jemand, dessen Handicap ihn daran hindert, zu sein, wie er gerne wäre. Bei dem die Dinge nicht so sind, wie er sie gerne hätte. Jeder Mensch kennt das. Im Film ist das natürlich zugespitzt. Man macht es seiner Hauptfigur so schwer wie möglich und zeigt dann, wie sie kämpft, wie sie damit zurechtkommt. Das war die Grundidee. Was den Ton angeht, war mir immer klar, dass der Film eine Tragikkomödie werden sollte, weil ich dieses Genre liebe, es für sehr anspruchsvoll halte und im deutschen Film selten sehe. *The European: Vincents Zimmergenosse im Film hat einen Zwang. Die Figur Marie hat auch einen Zwang. Soll uns der Film etwas über Zwänge sagen?* Fitz: Das ist ein Spiegel für Vincent, wie er mit sich selbst und mit der Krankheit umgeht. Er hat jemanden wie Marie, die auf den ersten Blick eine wahnsinnige Stärke ausstrahlt und ihr Leben scheinbar perfekt unter Kontrolle hat. Aber eigentlich läuft sie immer nur davon. Ihre Stärke wendet sich gegen sie selbst. Vincent kann ihr so lange nicht nahekommen, bis er versteht, wo er bei sich selber anfangen muss. Solange Marie sich nicht gern hat, ist sie unfähig, jemand anderen zu lieben. Wenn Vincent dann in sich geht, beginnt ein Prozess – er fängt an, zu verstehen, dass es primär nicht darum geht, ob sein Vater ihn liebt oder respektiert, sondern darum, dass er anfängt, sich selbst zu respektieren. Es geht darum, aus den Fehlern der anderen zu lernen. Aus seinen eigenen Fehlern lernt man ja sowieso nicht (lacht).