Wenn Wissen explodiert
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Stillschweigend wird angenommen, dass mit dem Wachstum an Informationen auch das Wissen wächst. Informationen brauchen jedoch Deutung – und auch daraus wird nicht automatisch Wissen. Dies in der Bildung anzuerkennen, käme einer Revolution gleich.

In den aktuellen Diskussionen um Bildungs- und Schulsysteme, um Bologna und andere Reformen, sowie um die Frage, ob das Internet Wissen schneller verfügbar macht oder ob es zu einer „digitalen Demenz“ kommt, wird immer noch stillschweigend ein Paradigma vorausgesetzt, das vor rund 50 Jahren in die Welt kam. Seitdem wird behauptet, dass das Wissen der Menschen mindestens exponentiell wachsen würde, dass es sich alle 10 oder 15 Jahre „verdoppeln“ würde und dass, darüber hinaus, der Zeitraum der Verdoppelung des Wissens sogar immer kürzer werden würde. Von einer „Wissensexplosion“ ist die Rede, synonym werden Begriffe wie „Informationsflut“ oder „Informationslawine“ benutzt. Aber es muss allmählich bezweifelt werden, dass wir Menschen tatsächlich immer mehr wissen und dass die Menge unseres Wissens tatsächlich so rasant wächst. Das hat nichts mit Mängeln im Bildungssystem oder angeblicher Verdummung durch Medien- und Internetkonsum zu tun, sondern mit dem Prozess der Wissensproduktion selbst. Und das hat letztlich Konsequenzen für alle Debatten, die wir über die Systeme der Wissensvermittlung, die Ausbildung und die Lehre, führen.