Entschuldigen Sie bitte
Wir leben in einer Gesellschaft, in der sich der Einzelne zunehmend ohnmächtig und isoliert fühlt. Die politische Elite bedient sich Worthülsen und verliert Glaubwürdigkeit, während die Medien von Skandal zu Skandal leben. Dabei kann uns gerade die Sprache helfen, wieder zueinander zu finden.

Der Soziologe Norbert Elias hat in seinem berühmten Werk „Über den Prozess der Zivilisation“ geschrieben, dass die Sprache „eine der Verkörperungen des Gesellschafts- oder Seelenlebens“ ist. Wie muss es um unsere Gesellschaft und unser Seelenleben bestellt sein, wenn ein Schüler aus der 8. Klasse zu seiner Lehrerin sagt: „Ich kann Ihr Scheißgesicht nicht mehr sehen!“? Wenn Fußballer den Effe-Finger zeigen und sich unflätig beschimpfen? Wenn Politiker verbal aufeinander losdreschen, in Talkshows Moderatoren ihre Gäste bloßstellen und demütigen? Wenn Beamte Postkarten erhalten und als „Sesselfurzer“, „Vollidioten“ oder „Rechtsbeuger“, wenn Lehrer als „faule Säcke“ und Polizisten als „Nazi-Schergen“ beschimpft werden? Wenn auf Internetforen gepöbelt und geflamed wird? Es sind dies Extremfälle, sicherlich. Dennoch: Der höfliche und respektvolle Umgang miteinander scheint immer mehr zurückzugehen. Doch ist dies ein Ausdruck von Sprachverfall, wie häufig behauptet wird?