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Außenpolitik > Trump wirft seinem Herausforderer Joe Biden Korruption und Verbrechen vor

Warum schweigen die Medien zu Hunter Bidens Laptop?

Wenn die Story der "New York Post" echt ist, hat Joe Biden möglicherweise gelogen. Aber es gibt viele Gründe, die Authentizität der Geschichte zu bezweifeln. Ein Sonderermittler muss darum her – doch nicht mehr vor den Wahlen.

Pressekonferenz im Weißen Haus: Ansgar Graw befragt Donald Trump während eines Besuchs von Angela Merkel (März 2017)
Pressekonferenz im Weißen Haus: Ansgar Graw befragt Donald Trump während eines Besuchs von Angela Merkel (März 2017)

Am Montag soll im US-Senat Amy Coney Barrett, Donald Trumps Wahl für den Obersten Gerichtshof, vom Senat bestätigt werden – keiner zweifelt, dass die konservative Juristin die nötigen Stimmen erhält. Und dann beginnt die letzte Woche vor dem 3. November. Doch in diesem hitzigen, oft schmutzigen US-Wahlkampf gibt es seit knapp 14 Tagen ein ausgesprochen brisantes Thema, mit dem die Medien aber erkennbar zurückhaltend umgehen. Soll Joe Biden, der demokratische Präsidentschaftskandidat, geschont werden? Es geht um Dateien, die angeblich auf einem Laptop seines Sohnes Hunter gefunden wurden. Präsident Trump und sein Umfeld behaupten, sie bewiesen kriminelle Korruption, in die Joe Biden verwickelt sei. Die Trump zugeneigte „New York Post“ hatte mehrere große Titelgeschichten über diesen „Laptop aus der Hölle“ (Trump) gebracht.

Hat der Präsident, der aus einem demoskopischen Rückstand um seine Wiederwahl in gut einer Woche kämpft, mit seinen Korruptionsvorwürfen recht? Antwort: Möglicherweise. Und stimmt dann auch die Klage Trumps, die Medien spielten das Thema herunter? Das wird der Kompliziertheit der Story des Boulevardblattes nicht gerecht.

So kann es zwar durchaus sein, dass der Vizepräsident aus der Ära Obama gelogen hat über den Umfang seines Wissens über lukrative Geschäfte von Hunter insbesondere in der Ukraine – und über seine Hilfestellung dabei. In einer angeblichen eMail auf dem Laptop, das Hunter Biden wegen eines Wasserschadens mit dem Auftrag der Wiederherstellung der Dateien im April 2019 in einen Computershop in seinem Geburtstort Wilmington/Delaware gebracht haben soll, dankt der Ukrainer Vadim Pozharskyi Hunter dafür, dass er ihm „die Gelegenheit gab, Ihren Vater kennenzulernen“ und mit ihm „einige Zeit zu verbringen“. Das Problem: Die vage Möglichkeit, dass die Vorwürfe zutreffen könnten, schließt die andere Möglichkeit nicht aus, dass die Dateien komplett oder in entscheidenden Teilen manipuliert wurden. Es gibt schlicht keine Belege für die Story der „New York Post“. Und so haben zwar alle wichtigen US-Medien, auch jene, die als ausgesprochen Trump-kritisch gelten, von CNN über „Washington Post“ bis „New York Times“, mehrfach über den Vorgang berichtet – aber aus einer vorsichtigen, skeptischen Position.

Der Justizminister will nicht ermitteln

Was spricht gegen die Seriosität der Geschichte aus der „New York Post“? Zuerst dies: Nicht einmal der von Trump eingesetzte und bis vor wenigen Wochen von ihm mit viel Lob bedachte Justizminister William Barr hat bislang einen Sonderermittler zu dem Thema berufen. Zu wenig „hart“ scheint die Story und zu frisch ist die Erinnerung an 2016, als der damalige FBI-Direktor James Comey gut eine Woche vor der Präsidentschaftswahl verkündete, neue Ermittlungen gegen die demokratische Kandidatin und vormalige Außenministerin Hillary Clinton wegen der teilweise dienstlichen Nutzung eines privaten eMail-Accounts zu starten. Die Ermittlungen erbrachten nach der Wahl keine zusätzlichen belastenden Momente gegen Clinton. Aber viel spricht dafür, dass Comeys Entscheidung angesichts des knappen Wahlausgangs den Ausschlag für Trumps Sieg in den entscheidenden Bundesstaaten gab. Ohne den Brief des FBI-Chefs, so glaubt Clinton bis heute, säße sie jetzt im Weißen Haus. Die Wiederholung einer solchen „Oktober-Überraschung“ käme Trump gerade recht. Barr aber, ein seriöser konservativer Republikaner, schreckt trotz aller Loyalität zum Präsidenten bislang davor zurück.

Denn unbeantwortet ist die zentrale Frage: Ist das Material echt, das der Computer-Shop-Besitzer aus Sorge um dessen kompromittierenden Charakter zuerst dem Rechtsanwalt und Trump-Berater Rudy Giuliani zugänglich gemacht haben will? Was gegen die Story spricht ist der Umstand, dass mehrere altgediente Journalisten der „New York Post“, unter ihnen Bruce Golding, sich geweigert haben sollen, ihre Namenszeile über diesen Titelseitenaufmacher setzen zu lassen, weil sie selbst nicht von der Recherche überzeugt gewesen seien. Am Ende standen lediglich die Namen zweier Journalistinnen über der Story, von denen zumindest die eine vorher nicht als Autorin in Erscheinung getreten war.

Interessant ist allerdings auch, dass Joe Biden die Story des Boulevardblattes zwar als „Schmutzkampagne“ bezeichnet. Und er verweist gern darauf, dass ein Untersuchungsausschuss im Senat die Geschäfte Hunter Bidens untersucht und keine Gesetzesverstöße gefunden hat. Aber der Ausschuss arbeitete natürlich ohne die Kenntnis des jetzt erst aufgetauchten Computers. Weder Vater noch Sohn Biden dementieren die gesamte Geschichte. Sie sagen also weder, dass Hunter nie einen Laptop in dem bewussten Computer-Laden in Delaware abgegeben habe, noch bezeichnen sie die angeblichen eMails als Fälschung. Das Büro des Präsidentschaftskandidaten lässt lediglich wissen, die Kalender des damaligen Vizepräsidenten gäben keine Hinweise auf eine Begegnung mit Pozharskyi.

Welche Teile der Story sind wahr?

Mutmaßlich sind also zumindest Teile der Story wahr: Vielleicht handelt sich tatsächlich um Hunter Bidens Rechner – auch wenn der Computer-Shop-Betreiber, ein überzeugter Trump-Anhänger, praktisch blind ist und darum nicht sagen kann, ob der Kunde, der sich als „Hunter Biden“ vorstellte, wirklich der Sohn des Kandidaten war. Auch die Dateien darauf sind im Kern möglicherweise echt – aber einige eMails mögen hinzugefügt oder verändert worden sein. Das könnte das Werk des russischen Geheimdienstes sein.

Das ist keine weithergeholte Mutmaßung. Denn bereits Ende 2019 warnten die US-Geheimdienste das Weiße Haus, Giuliani solle von russischen Agenten missbraucht werden, um Desinformationen zu lancieren und Bidens Präsidentschaftskampagne zu gefährden. Dabei ging es allerdings noch nicht um den (zu diesem Zeitpunkt noch unbekannten) Laptop. Aber Giuliani, der ehemalige Bürgermeister von New York City, hatte sich bereits mit dem ukrainischen Abgeordneten Andrej Derkach getroffen, der nach Erkenntnissen amerikanischer Dienste und des US-Finanzministeriums seit mindestens einem Jahrzehnt für den russischen Geheimdienst arbeitet. Derkach soll Videomaterial veröffentlicht haben über Begegnungen Joe Bidens mit ukrainischen Regierungsoffiziellen, das nach amerikanischen Erkenntnissen manipuliert worden war, um falsche Eindrücke zu erwecken. Trump soll die Warnungen seiner Nachrichtendienste dennoch weggewischt haben.

Bekam Giuliani das Material schon im Frühjahr 2019 angeboten

Dubios ist auch dies: Giuliani soll schon im Frühjahr 2019 belastendes Material über Hunter Biden, darunter verfängliche Fotos von minderjährigen Mädchen, aus der Ukraine angeboten bekommen haben. Das sagt laut „Politico“ der ukrainische Geschäftsmann Lev Parnas, mit dem Giuliani vorübergehend zusammenarbeitet hatte. Handelt es sich um das gleiche Material, das angeblich auf dem im April 2019 zur Reparatur eingereichten Rechner war? Suchte Giuliani nur eine bessere Legende als die, er habe Dateien „aus der Ukraine“ erhalten?

Bislang gibt es in dieser Geschichte mehr Fragezeichen als Fakten. Ein Sonderermittler zu Hunter Bidens Laptop-Dateien, wie Trump ihn fordert, wäre darum vernünftig – aber er sollte erst nach den Wahlen eingesetzt werden. Denn die bisherigen Indizien sind dermaßen dünn, dass ein sofortiges Tätigwerden der Justiz die Wahlen so massiv beeinflussen könnte wie 2016 der Comey-Brief zu Clintons eMails. Trump mag das als ungerecht empfinden, darum drängt er Barr weiterhin zu sofortigen Veranlassungen. Doch dann müsste es längst auch Sonderermittler geben beispielsweise zu den Geschäften von Trumps Familienkonzern im Zusammenhang mit seiner Präsidentschaft insbesondere in China oder mit dem Trump-International-Hotel ganz dicht am Weißen Haus, in dem gern ausländische Delegationen absteigen. Verglichen mit der ungenierten Korruption, die Trump seit seinem Einzug ins Weiße Haus betreibt, scheint die Story über den „Laptop aus der Hölle“ allenfalls für ein Fegefeuer geeignet.

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