„Wir leben in einer Schwellenzeit“
Artikel vom
Das Bild in den Medien, die Medien als Fenster zur Welt. Was unseren Blick aus dem Fenster heute ersetzt hat, warum Facebook und Co. unseren Horizont erweitern und weshalb Paulus mit der Rhetorik von Cicero nichts hätte anfangen können, verrät der Verleger und Buchautor Hubert Burda im Interview. Das Gespräch führte Alexander Görlach.

*The European: Sie schreiben in Ihrem Buch: „Der Blick aus dem Fenster wurde durch den Fernsehapparat ersetzt.“ Nehmen wir unsere direkte Umwelt aufgrund von permanenten Medienangeboten weniger wahr?* Burda: Ich habe zehn Jahre lang versucht, die theoretischen Überlegungen der Gelehrten zu unseren Kommunikationsgewohnheiten mit den praktischen Erfahrungen eines Medienmenschen zu kombinieren, der meistens eine Viertelstunde früher am Flughafen ist, weil er beobachten will, wie Menschen Zeitungen und Zeitschriften kaufen und nutzen. Das Buch zum Iconic Turn war immer getrieben von der Frage: Was geschieht draußen? Unser Blick, der über Jahrhunderte auf Bilder angewiesen war, wurde im 20. Jahrhundert durch den Fernsehapparat erweitert. und wird heute mit Facebook und Twitter ergänzt. Oft stellt sich dann die Frage, ob "Text deshalb im Internet weniger Relevanz(Link)":http://www.theeuropean.de/debatte/5112-die-zukunft-des-lesens-im-digitalen-zeitalter hat. Doch die schnellsten Reaktionen im Internet werden vermutlich weiterhin über Text ausgelöst. *The European: Dennoch funktioniert im Web das Bewegtbild besser. Verliert der geschriebene Text langfristig an Bedeutung?* Burda: Beides gehört zusammen. Ein Bild ohne Bildunterschrift ist eine Fehlleistung. Gleichzeitig öffnet ein Bild das Thema. Auf Focus Online haben Sie vor ein paar Tagen einen Jungen gesehen, der in Tripolis in einem Kanonenrohr saß - und daneben Menschen mit ihren Handys, Kameras oder iPhones, die ihn fotografierten oder filmten. Früher gab es keine Bilder, man konnte nur berichten. Heute geht alles über Flickr oder Youtube um die Welt. Das gab es noch nie in der Weltgeschichte.