Mord oder Totschlag?
Bei der Beurteilung von Tötungsdelikten arbeitet das deutsche Strafrecht mit schwammigen Paragrafen, die von den Nazis stammen. Doch die Politik kneift vor Reformen.

Wenn ich meine neuen Rechtskundeschüler nach dem Unterschied zwischen Mord und Totschlag frage, erhalte ich alljährlich die gleiche Antwort. Danach soll Mord das vorsätzliche Töten eines Menschen und Totschlag das eher versehentliche Töten sein. Das ist natürlich auf der Basis unseres geltenden Strafrechts völlig verkehrt, zeigt aber, dass selbst bei ziemlich dramatischen Straftatbeständen eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem Gesetzestext und dem Wissen darüber besteht. Aber es provoziert auch die Frage, ob das natürliche Empfinden der Schüler, was denn ein Mord sei, vielleicht richtiger sein könnte, als die bestehenden Gesetze für Tötungsdelikte das definieren. (1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen. Um den Tatbestand zu erfüllen, muss man also nur einen Menschen töten. Gut, es muss ein anderer Mensch sein, da Selbstmord gerade nicht strafbar ist. Aber trotzdem ist die Beschreibung der Tat sehr überschaubar. Problematisch ist lediglich der Halbsatz „ohne Mörder zu sein“, der auf den § 211 StGB verweist. Da steht nämlich drin, wer alles so ein Mörder ist.