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> Stimmen gewonnen und doch verloren

Die Linke muss sich nun entscheiden

Für Die Linke sind die 12,6 Prozent der AfD besonders grausam. Nicht unbedingt deshalb, weil sich eine besonders links orientierte und eine rechtspopulistischen Partei grundsätzlich ähneln, sondern vor allem, weil die Partei um Alexander Gauland und Alice Weidel auf bestem Weg ist, die neue politische Institution für diejenigen zu werden, die sich arm, benachteiligt und chancenlos fühlen.

The European

AfD wildert am stärksten genau der Zielgruppe, die die Linkspartei erfolgreich machte, nachdem sie sich zunächst von der SED zur SED-PDS und dann als PDS in die Demokratie der Bundesrepublik emanzipiert hatte. Das Versprechen, vor Migranten- und Flüchtlingskonkurrenz zu schützen, hat sich gegen das der Wohlstandssteigerung durch höhere Sozialleistungen vorerst durchgesetzt. Die Linke steht so vor einem Dilemma. Soll man sich weiter auf seine Ursprungs-Zielgruppe konzentrieren und neben Forderungen nach mehr Sozialhilfe auch seine Haltung in der Flüchtlingsdebatte ändern? Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht hatte genau solche Überlegungen angestoßen, als sie von verwirkten "Gastrechten" und davon, dass man in Deutschland nicht jeden aufnehmen könne, sprach. Mehrheitsfähig wurde diese Einstellung bis zur Bundestagswahl nicht. 430.000 Stimmen verlor man so an die AfD. Oder soll man sich fortan auf die jungen, hippen Wähler konzentrieren, die von Frieden, Weltoffenheit und einem sozialen wie nachhaltigen Miteinander in der Gesellschaft und zwischen verschiedenen Kulturen träumen? Bereits bei dieser Wahl konnte man so 380.000 Wähler von der SPD, 140.000 von den Grünen und 70.000 aus dem CDU/CSU Lager zu sich locken. Und im Falle der Linken muss es auch heißen: Ein Dilemma kommt selten allein. Die zweite Grundsatzdiskussion nämlich wird sein: Will man sich in Zukunft weiterhin „nur“ als „die soziale Opposition“ und „Friedenspartei“ sehen, wie es Dietmar Bartsch sagte, oder will man 2021 endlich einmal Verantwortung in einer mehrheitsfähigen rot-rot-grünen Regierung übernehmen? Bleibt man die ewige Oppositionspartei, könnte sich die Partei langfristig in die Bedeutungslosigkeit manövrieren. Irgendwann könnten die Bürger damit beginnen, ob nun Protestwähler oder weltoffener Andersdenkender, in letzter Zeit gern auch als „Gutmensch“ bezeichnet, keinen Sinn mehr darin zu sehen eine Partei zu wählen, die chancenlos darin ist, jemals in Regierungsverantwortung die Interessen ihrer Wählerschaft zu vertreten. Setzt man sich dagegen offiziell das Ziel, genau eine solche Verantwortung 2021 oder dann eben 2025 übernehmen zu wollen, riskiert man einerseits einen Stimmenverlust bei denjenigen, die Die Linke nur als Oppositionspartei als gewinnbringend erachtet. Und andererseits natürlich auch herbe Niederlagen, die es dann zu erklären gilt. Angesichts dessen, dass die Partei durchaus sehr nennenswerte Wahlerfolge verzeichnen konnte, wie beispielsweise den, in Berlin mit 18,8 Prozent der Stimmen zweitstärkste Kraft hinter der CDU (22,7 Prozent) zu werden, dürfte das langfristige Ziel eher „Mitregieren“ lauten. Und sollte die SPD tatsächlich in die Opposition gehen, wonach es aussieht, hätte man die Chance eine starke linke Regierungsalternative darzustellen. Vorausgesetzt die SPD macht mit. Und ebenfalls vorausgesetzt: Die AfD schafft es das politische und gesellschaftliche Momentum nicht noch weiter nach rechts zu verlagern. Das dürfte nicht zuletzt auch daran liegen, wie sich die wahrscheinliche Jamaika-Koalition in Berlin schlägt und freilich größtenteils an deren Haltung zur Flüchtlingspolitik. Zunächst, so scheint es, will man sich bei den Linken aber vor allem auf eines konzentrieren: Auf die Bekämpfung des Gegners am rechten Rand. „Mit der Linken wird die AfD den härtesten Widersacher haben, den sie sich vorstellen kann. Wir halten dagegen.“, sagte Parteichef Bernd Riexinger am Wahlabend. Und fügte an: „Wer die Rechte bekämpfen will, der muss auch die Politik der sozialen Spaltung konsequent bekämpfen. Das werden wir tun.“ Auch Bundesgeschäftsführer Matthias Hoehn bezog klar Stellung: Das Wahlergebnis sei „eine Zäsur für die Bundesrepublik.“, sagte er. „Wir werden in den nächsten vier Jahren im Parlament und auf der Straße klare Kante gegen Rechts und Rassismus zeigen." Von Parteichefin Katja Kipping kam unter anderem ein „Nie wieder Krieg. Nie wieder Faschismus.“ Und Dietmar Bartsch sagte: „Wir werden über die Kommunen und Länder versuchen, Druck aufzubauen. Dass sich das Land verändert, dass es eine Chance gibt, irgendwann die Achse der Politik wieder nach links zu verschieben.“ Nun, solche Aussagen waren zu erwarten. Wie soll man als Linkspartei auch sonst auf das Wahlergebnis der AfD antworten. Dennoch erscheint es fraglich, ob man so bis 2021 wieder einen gesellschaftlichen Linksruck produzieren kann. Zukunftsorientierter erscheinen da schon die Worte von Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht: „Wir werden der soziale Oppositionsführer bleiben. Und wir werden den Regierenden Beine machen.", sagte sie am Sonntagabend. „Die Parteien der großen Koalition haben heute ihre Quittung bekommen. Ich hoffe, dass wenigstens die SPD ihre Lektion gelernt hat. Die Parteien der GroKo sind die Mütter und Väter der AfD.“ Wagenknecht schießt zwar auch in Richtung AfD, vor allem aber in Richtung der etablierten Parteien, insbesondere freilich in die der CDU/CSU. Schafft es Merkel nicht in vier Jahren die Gesellschaft „gerechter“ zu machen, könnte genau hier die Linke mit ihren Forderungen immer mehr Menschen erreichen. Klar, der durchschnittliche CDU-Wähler wird wohl kaum direkt zur Linken wandern, aber vielleicht zur SPD oder auch zu den Grünen. Und wer weiß, was dann nicht plötzlich alles möglich werden könnte. Auch wenn ein Linksruck kurz nach dem Rechtruck und dann auch noch verbunden mit einem Regierungswechsel hin zu Rot-Rot-Grün, zugegeben, als äußerst unwahrscheinlich gelten muss. Doch irgendwie muss sich auch Die Linke weiterentwickeln. Und der Weg von Wagenknechts Flügel sich vor allem auf die eigenen Inhalte und das Ausloten von Schwächen der Anderen zu konzentrieren, erscheint zielführender und erfolgsversprechender als ständig gegen die AfD zu hetzen. Das schaffen die anderen Parteien ja eigentlich auch ganz gut alleine. Die Linke könnte sich im Schatten dieser scheinbar alles bestimmenden Auseinandersetzung zu einer echten inhaltlichen Alternative für Deutschland entwickeln. Vorausgesetzt sie geht ihren Weg konsequent. Und ja, sie muss auch Ihre Haltung zur Flüchtlingspolitik überdenken. Ganz ohne Kompromisse in diese Richtung scheint politischer Erfolg derzeit beinahe ausgeschlossen.

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