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> Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen
Recht sicher
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Die Start-up-Industrie wächst zu einem wertvollen Ökosystem heran. Jetzt soll eine bisherige Regelung zur Steuerstundung gekippt werden. Auch rückwirkend. So geht es nicht.

Der Bundesrat möchte die Steuerstundung von Veräußerungsgewinnen aus Beteiligungsverkäufen bei den Anteilseignern kippen, die weniger als zehn Prozent an einem Start-up halten. Damit, so die Argumentation, nähere man sich internationalen Gepflogenheiten an und schalte eine Wettbewerbsungleichheit innerhalb der Europäischen Union aus. In den meisten Ländern des Staatenbundes gilt die Steuerfreiheit erst ab dem Überschreiten einer Mindestbeteiligungsquote.
Unsere Industrie funktioniert wie jede andere
Folgendes ist dazu an die Adresse der politischen Akteure zu sagen: Die Start-up-Industrie funktioniert wie jede andere Industrie auch: Unternehmer re-investieren ihre Gewinne wieder in andere Unternehmen. Ein Start-up-Investor, der seine Investments über das Vehikel einer Beteiligungsgesellschaft tätigt, ist in der Regel an mehr als einem Unternehmen beteiligt. Nicht wenige investieren dauerhaft. Neben einzelnen Investoren halten Start-ups selber auch Anteile an anderen Start-ups. Es sind ja nicht nur Einzelne, die durch die momentane Gesetzeslage die Möglichkeit einer Steuerstundung erhalten. Auch Start-ups re-investieren Gewinne aus Beteiligungsveräußerungen in andere Start-ups. Das heißt: Für ein Start-up ermöglicht der Steuervorteil von 25 Prozent, dass 25 Prozent mehr Kapital in neue Geschäftsmodelle und Unternehmen investiert werden kann. Dass dies Auswirkungen auf die Möglichkeiten eines Unternehmens hat, das eine Kapitalerhöhung durchführt, muss hier nicht eigens nachgewiesen werden. Es investieren Unternehmen in Unternehmen. Das ist die Grundlage für nachhaltiges Wachstum einer Branche. Die Akteure möchten diesem Kreislauf kein Geld entziehen, sondern ihn zu einem wachsenden Ökosystem machen. Das hat sich der Gesetzgeber so auch gewünscht, als er die im Moment gültigen Regeln auf den Weg gebracht hat. Man spart hier auch keine Steuern, man enthält sie auch nicht der Gesellschaft vor. Sobald dieser Zweck nicht mehr erfüllt wird, fällt auf Veräußerungsgewinne die normale Kapitalertragssteuer an.Es geht nicht um Steuervorteile
Im Kern geht es bei der gegenwärtigen Diskussion also nicht um einen Steuervorteil, denn der existiert nicht. Es handelt sich bei dem strittigen Gesetz ja nur um eine Steuerstundung. Es geht bei der Kontroverse um nicht weniger als um Rechtssicherheit: In der Berichterstattung wird immer wieder erwähnt, diese geplante Gesetzesänderung könne auch rückwirkend gelten. Nun, Deutschland gönnt sich ja gerade mit der Energiewende ein Mammut-Projekt, das die Investitionssicherheit einer ganzen Branche gefährdet und zu großer Verunsicherung geführt hat. So wird die Bundesregierung von der Atomenergie-Industrie auf Milliardensummen verklagt werden. Auch die Unternehmen, die Technologien erneuerbarer Energien entwickeln und herstellen, blicken unsicher in die Zukunft: Welchen Weg möchte die deutsche Politik beschreiten, wie sieht der Energie-Mix der Zukunft aus und welche Technologie(n) werden steuerlich begünstigt sein? Sollten Unklarheiten dieser Art nun auch die Start-up-Industrie heimsuchen, wäre das fatal für den Standort Deutschland. Nun noch ein Wort zur Zehn-Prozent-Klausel: Selbstverständlich können Business Angels auch weiterhin investieren, wenn es die Steuerstundung, die im Moment gilt, nicht mehr geben sollte. Die Einschränkung aber, dass der Steuervorteil, um den gestritten wird, erst greifen soll, wenn das Start-up oder der Unternehmer zehn Prozent Anteile an der veräußerten Firma gehalten haben, geht an der Realität vorbei. Start-ups werden zunehmend auch für andere Investoren, seien es Privatleute oder Unternehmen anderer Branchen, für Investitionen interessant. Wer sich erstmals in dieses Umfeld begibt, der wird sich nicht mit zehn Prozent und mehr beteiligen, sondern sich langsam in dem neuen Umfeld orientieren.Nicht alle kommen mit Koffern voller Millionen
Start-ups helfen sich nicht nur mit Geld, sondern sie unterstützen sich auch gegenseitig mit Wissen, Erfahrungen und Kontakten. Dafür werden gerne so genannte „Supporter-Shares“ gegeben, „Unterstützungs-Anteile“. Sie können bei Nullkommasoundsoviel Prozent liegen. Diese Vernetzung innerhalb einer Industrie, der nachhaltige Ausbau dieser für den Standort Deutschland wichtigen Start-up-Industrie, darf gerne mit einer Re-Investitionsunterstützung bedacht werden. Nicht alle, die hier aktiv sind, kommen mit Koffern voller Millionen Euro und kaufen sich Löwenanteile von Firmen. Bitte auch an die kleinen und mittelgroßen Unternehmen denken, liebe Politik! In Start-ups, hier gleichen sie dem klassischen deutschen mittelständischen Unternehmen, liegen den Investitionsentscheidungen wirtschaftliche Interessen und ideelle Überzeugungen zugrunde. Geld wird investiert, um Geld zu verdienen. Ein Business Angel ist also kein Engel im uneigennützigen Sinne des Wortes. Investiert wird in Unternehmen, von denen angenommen wird, dass ihr Geschäftsmodell erfolgreich sein und Gewinne erwirtschaften oder eine große Verkaufssumme erzielen wird . Viele Akteure, die heute als Investoren agieren, haben selbst einmal mit Hilfe von Investoren Unternehmen gegründet, die wirtschaftlich erfolgreich wurden. Nach dem Verkauf, dem Exit, haben diese, wie selbstverständlich, anderen, jungen Unternehmern bei der Umsetzung ihrer Geschäftsideen geholfen und in sie investiert. Dahinter steckt der Glaube an eine technologiegetriebene, neue Industrie, die Innovationen hervorbringt und den Wirtschaftsstandort Deutschland stärkt. Das ist die ideelle Seite. Die Kombination aus Wirtschaftlichem und Ideellem war bislang rechtlich gesichert: Nur, wer mit den Gewinnen der Beteiligungsgesellschaft weiter gewirtschaftet, also re-investiert hat, bei dem griff die Steuerstundung. Hier scheint der Gesetzgeber etwas Elementares nicht verstanden zu haben; es schadet selten, mit den Betroffenen zu sprechen, bevor man ihnen an die wirtschaftliche und ideelle Existenzgrundlage geht. _Newconomy ist die neue Kolumne der Berliner Start-up-Industrie. Sie beschreibt Szenen auf der Schnittstelle zwischen neuer und klassischer Ökonomie, zwischen Politik und Unternehmertum. Newconomy ist gesponsert durch die Factory, "der neue Start-up-Standort in Berlins Mitte":http://blog.theeuropean.de/2012/06/kooperation-mit-the-factory/ "https://www.facebook.com/FactoryBrln":https://www.facebook.com/FactoryBrln "www.factoryberlin.com":http://www.factoryberlin.com twitter: "@factoryberlin":https://twitter.com/factoryberlin._Kommentare (0)
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