Der Kampf ums Überleben beginnt jetzt
Wer die SPD für tot erklärt hat, durfte dieses Wochenende einem Scheintoten beim Aufstehen zusehen. Die Sozialdemokratie hat auf ihrem Krisenparteitag in Sachsen ihren Überlebenswillen bewiesen. Erstmals seit Jahren wurde wieder der Blick auf den lebendigen Kern der Partei frei. Zu sehen waren Stolz, Kampfgeist und Streitlust – aber auch Scham, Zorn und Enttäuschung über Politik und Führungsstil in den vergangenen elf Regierungsjahren.

In Dresden wurde mit einer fatalen Grundhaltung aus der Ära Müntefering abgerechnet. In den vergangenen Jahren verkündete die Parteispitze nach jeder Niederlage: Der Wähler ist zu doof! Er hat nicht kapiert, wie richtig unsere Politik ist! Er hat sich von der konservativen Presse und den linken Populisten täuschen lassen! Stets waren die anderen schuld am eigenen Dilemma. Diese Haltung nahm die Spitze auch wiederholt gegenüber der eigenen Basis ein. Die schrumpfte derweil rasant. Die Regierungsjahre haben die SPD deshalb zermürbt. Nicht nur Rückgrat und Stolz sind der Partei in der Regierungszeit genommen worden. Auch die überlebensnotwendige Lust am Engagement, zum Erklären und Kämpfen ist beinahe gänzlich verschwunden. Der Bruch mit Müntefering und seinen Vertrauten war aus diesem Grund eine Überlebensfrage. In Dresden gelang jedoch mehr als nur ein Führungswechsel. Erstmals seit Jahren diente ein Parteitag nicht einzig zur Legitimierung der Parteiführung. Am Wochenende hat sich die gesamte SPD eine Energiespritze verpasst. Die Sozialdemokraten haben endlich einen kritischen Blick in den Spiegel gewagt. Sie haben ihre Partei nicht nur zum dringenden Reformfall erklärt, sondern auch zugestanden, dass in den letzten Jahren in inakzeptablem Maß gelogen, getrickst und getäuscht worden ist. Diese Ehrlichkeit half beim Beginn der Diskussion über den rapiden Niedergang in den vergangenen Jahren.