Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
> Sparpolitik in Europa

Schlüssel oder Sargnagel

Artikel vom

Amerikanische Ökonomen fordern ein Ende des Sparens – doch zu hohen Schulden nützen auch Konjunkturpakete nichts.

The European

Wenn Manna für uns vom Himmel fällt oder wir glauben können, dass Alterung und Schrumpfung unserer Bevölkerung uns produktiver machen, dann sollten wir den "Sirenengesängen amerikanischer Nobelpreisträger der Ökonomie":http://theeuropean.de/joseph-stiglitz/10749-staatliche-sparpolitik-in-der-finanzkrise und den Aufforderungen der Partnerländer zu munterer Ausgabeerhöhung in Deutschland folgen. Wer allerdings von den Erfahrungen der Länder, die in Überschuldung und in ausländische Abhängigkeit gerieten, lernen will oder von den gesammelten Erkenntnissen von Reinhart und Rogoff („This time is different“) über fast ein Jahrtausend staatlicher Finanzpolitik profitieren will, der erfährt anderes: Dann, "wenn das Verhältnis der Staatsschulden zum Sozialprodukt 90 Prozent überschreitet":http://theeuropean.de/debatte/7578-staatsschulden, ist die Wirksamkeit fiskalischer Stimulierung dramatisch reduziert.

Senkung staatlicher Ausgaben als Befreiung
Wer in diese Sackgasse rannte, dem bleibt zur Befreiung nur der Weg zurück: sprich die Austerität. Das heißt ja nicht Aufgabe des Ziels „Gestaltung der Zukunft“, es heißt nur, dass zuerst die fiskalische Handlungsfähigkeit wiederherzustellen ist. In der Arbeit der beiden US-Ökonomen Reinhart und Rogoff wird auch herausgearbeitet, dass die wirksamste Lösung dieser Aufgabe fast überall und unter allen Umständen die Senkung staatlicher Ausgaben ist (die man beispielsweise auch durch Heraufsetzung des Renteneintrittsalters erreichen kann). Viele Kritiker der deutschen Orthodoxie schlagen neben Kaufkraftsteigerung und Erhöhung des Konsums in Deutschland auch vor, den Ländern an Europas Peripherie mit einem Marshall-Plan zu helfen, weil ansonsten die Sparbemühungen weder die fiskalischen noch andere wirtschaftspolitische Ziele (Wachstum, Beschäftigung) erreichen ließen. Hierzu gibt es mehreres zu bemerken: Wer in der Vergangenheit über seine Verhältnisse lebte und in nicht-produktiven Feldern investierte (wie in der Bauwirtschaft in Irland und Spanien), muss über längere Zeit auf diesen Feldern kürzertreten. Dies dürfte für einige Zeit unabänderlich das Wachstum des Sozialproduktes vermindern. Das schmerzt, ist aber zur Lösung der Probleme unvermeidlich.
Regierungshilfe als Marshall-Plan
Um auf die Beine zu kommen, muss man über Markterschließung (Länder und Produkte), Produktivität und Kostendisziplin vorankommen. Deutschland kann – für die Zeit nach der misslich organisierten Wiedervereinigung – mit seiner lohn- und wirtschaftspolitischen Korrektur als Beispiel gelten. Der Einwand der deutschen Saldenmechaniker und der amerikanischen Kritiker am „neuen deutschen Merkantilismus“, dies könnten nicht alle gleichzeitig zur Lösung nutzen, ist nicht zurückzuweisen. Für jeden Leistungsbilanzüberschuss muss es auf diesem Planeten auch jemanden geben, der ein Leistungsbilanzdefizit zulässt. Freilich sollten die Leistungsbilanzdefizite bevorzugt durch hohe Importe von Investitionsgütern in jenen Ländern auftreten, deren Rendite für zusätzliche Investitionen besonders hoch ist, etwa weil sie sich in einem wirtschaftlichen Aufholprozess befinden. Leistungsbilanzdefizite aufgrund von Konsumsteigerung in Ländern, denen bald ein dramatischer Alterungsprozess bevorsteht, ist nichts, was die Welt braucht, weil sie Altersarmut in diesen Ländern provoziert. Freilich solche wünschenswerten internationalen Anpassungen sind umso eher erreichbar, je mehr sich die internationale Gemeinschaft mit technischer Hilfe an der Besserung der „Governance“ – d.h. des Regierungshandelns und der Verwaltung – in solchen hilfsbedürftigen und entwicklungsfähigen Ländern beteiligt. Ein so definierter Marshall-Plan ist das, was die Welt derzeit braucht.
Kommentare (0)
Keine Kommentare gefunden!
Neuen Kommentar schreiben