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> Sigmar Gabriels Äußerungen zum „NSU“-Prozess
Verfassung hin, Verfassung her
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Sigmar Gabriel fordert die Politik auf, beim NSU-Prozess einzugreifen. Interessiert sich nicht einmal mehr der Vorsitzende einer Volkspartei für den Rechtsstaat?

Langsam entsteht das Gefühl, dass außerhalb des Gerichtes niemand daran interessiert ist, dem sogenannten „NSU“-Verfahren in München auch nur die Chance auf ein revisionsfestes Urteil zu geben. Ich kann mich nicht erinnern, dass irgendein Verfahren in der Vergangenheit bereits im Vorfeld von außen derart belastet wurde. Aufgrund des zwangsläufig entstandenen Interesses an der Aufklärung der vermuteten Terrortaten aus dem rechtsradikalen Milieu, versuchen nun neben den bereits involvierten türkischen Medien auch die Politiker ihren Senf dazuzugeben.
Populismus und Wahlkampf
Spitzenreiter des populistischen Unfugs war am Wochenende der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel, der in einem "Interview mit der „Bild am Sonntag“ Folgendes von sich gab":http://www.bild.de/politik/inland/sigmar-gabriel/kentert-die-spd-mit-steinbrueck-herr-gabriel-29897298.bild.html: bq. „Es ist mir unbegreiflich, dass weder die bayerische Landesregierung noch die Bundesjustizministerin hier eingreifen. Wie viele Stühle im Saal stehen oder ob statt dem ‚Vorwärts‘ nun ‚Hürriyet‘ im Saal zuhört, dürfte wohl kaum die Unabhängigkeit des Gerichts beeinflussen.“ Meine spontane Facebook-Reaktion auf diese unverhohlene Forderung an die bayerische Landesregierung und die Bundesjustizministerin, in ein laufendes Gerichtsverfahren einzugreifen, war diese: bq. „Ich weiß nicht, ob oder was Herr Gabriel raucht, aber wenn, muss es irgendwas Wirksames sein. Muss der Populismus und der Wahlkampf wirklich einen Prozess torpedieren?“ Dass man an Stammtischen oder in Kifferstuben schon mal von Rechtskenntnissen ungetrübtes dummes Zeug von sich gibt, ist ja nicht ungewöhnlich. Vielleicht hat Gabriel ja noch was in seinen alten Unterlagen als Popbeauftragter gefunden und arglos probiert. Anders kann man sich kaum erklären, dass der Vorsitzende einer großen Volkspartei tatsächlich noch nie etwas vom Grundsatz der Gewaltenteilung gehört haben will. Ist es tatsächlich schon so weit, dass die Grundsätze eines jeden demokratischen Rechtsstaates keinen mehr interessieren? Die Gewaltenteilung ist die Aufteilung der vom Volke ausgehenden Staatsgewalt auf unterschiedliche Staatsorgane. Das geschieht, um eine Machtbegrenzung zu erreichen und dient damit der Sicherung von Freiheit und Gleichheit. Die drei Gewalten – nur für den Fall, dass es jemand noch nicht weiß – sind die Gesetzgebung (Legislative), die vollziehende Gewalt, sprich Regierung und daran hängende Verwaltung (Exekutive), und die Rechtsprechung (Judikative).Trennung heißt das Zauberwort
Natürlich kann man nicht verlangen, dass Politiker alles wissen, aber wenigstens in die ersten 20 Artikel des Grundgesetzes sollten sie vielleicht ab und an mal reinschauen. Da stehen nämlich solche Sachen drin – nur so als Tipp an alle, die noch was zum Besten geben wollen. „Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.“ Das steht in Art. 20 Abs. 3 GG. Diesen Grundsatz kennt übrigens auch die türkische Verfassung. In Nordkorea ist das sicher anders. Trennung heißt das Zauberwort. Machttrennung. Alles andere zerstört nicht nur den Rechtsstaat, sondern auch das „NSU“-Verfahren. Aber, wen kümmert das schon, wenn Wahlkampf ist.Kommentare (0)
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