Sehr geehrte Frau Abgeordnete Kaddor: Sie verwechseln da was, wenn Sie diese Demonstranten zu Opfer von Rassismus stilisieren
Die grüne Bundestagsabgeordnete Lamya Kaddor hält die propalästinensischen Demonstranten für „migrantische Wutbürger“, die sich aufregen, weil die Integrationspolitik in Deutschland gescheitert ist. Damit macht sie die Propagandisten der palästinensischen Sache zu Opfern, obwohl unter ihnen der Terroristen lauern.Von Oliver Stock / The European

Lamya Kaddor ist Bundestagsabgeordnete der Grünen und innenpolitische Sprecherin der Fraktion. Sie ist Lehrerin für Islamkunde, und hat vom Bundesamt für Migration geförderte Projekte wie „extrem out – Empowerment statt Antisemitismus“ geleitet. Sie versteht sich als „Brückenbauerin zur muslimischen Community“, und sie weiß also, worüber sie redet. Gestern Abend bei „Hart aber fair“ hat sie zu den propalästinensischen Demos in Deutschland gesagt, dass die Menschen, die da auf die Straße gehen, „migrantische Wutbürger“ seien, die sich noch nie mit dem Nahost-Konflikt tiefergehend auseinandergesetzt hätten. „Das sind Menschen, die auf unterschiedliche Dinge offensichtlich ziemlich wütend sind: gescheiterte Integrationspolitik, gescheiterte Möglichkeiten der Teilhabe. Vielleicht haben sie Rassismus erlebt. Und jetzt hat man endlich ein Ventil gefunden.“
Sehr geehrte Frau Abgeordnete, geht’s noch? Jetzt sind wir Deutsche, Schuld daran, dass Menschen auf unseren Straßen ausflippen, weil wir sie nicht richtig integriert haben? Jetzt sind wir Rassismus verbreitet, weil wir nich hinnehmen wollen, dass in unserem Land gegen Israel und Juden gepöbelt wird? Das ist eine verdrehte Sicht der Dinge. Frau Kaddor, Sie sind gerade dabei Täter zu Opfer zu erklären.
Ihrer Analyse von den demonstrierenden Menschen, die auf unterschiedliche Dinge ziemlich wütend sind wie die gescheiterte Möglichkeit an Integration und Teilhabe stimmt nicht. Sie ist um die Ecke gedacht, von hinten durch die Brust ins Auge ist immer schlecht. Richtig ist: Die Menschen sind wütend. Aber sie sind wütend auf Israel, das seit dem barbarischen Angriff auf sein Land um eine angemessene Reaktion darauf ringt, die so ausfallen muss, dass die eigene Sicherheit wiederhergestellt ist. Die Wut auf ein Land, dass so handelt, kann ich nicht verstehen.
Ich kann sie nicht verstehen, weil es Israel war, das in den vergangenen Jahrzehnten etwa ein halbes Dutzend Mal Friedensangebote für eine Zweitstaaten-Lösung gemacht hat, die von palästinensischer Seite auch dann abgelehnt worden sind, als sie äußerst vorteilhaft für die Palästinenser waren. Ich kann die Wut auf Israel nicht verstehen, weil sich jene friedlichen Palästinenser, die es natürlich gibt, seit Jahrzehnten zur Geisel solcher Terroristen machen, die Juden nichts als den Tod wünschen. Ihre Wut sollte sich gegen die eigenen Anführer richten, meine ich. Ich finde auch die historische Sicht schief, wenn Palästinenser behaupten, das Land gehöre ihnen, ich aber in Quellen wie der Bibel, nur den Staat Judäa finde und nicht den Staat Palästina.
Ich kann die Demonstranten als Deutscher nicht verstehen, der persönlich keine Schuld am Holocaust trägt, aber die Verantwortung spürt, die uns unsere Väter und Großväter mit ihren Taten aufgebürdet haben. Ich kann sie als Reisender nicht verstehen, der sich in Israel so zu Hause fühlt, wie nirgends in der arabischen Welt, während ich die Mendelssohnstraße in Tel Aviv entlang gehe, die exakt so heißt. Und ich kann, sehr geehrte Frau Abgeordnete, deswegen Sie nicht verstehen. Es gibt keine „migrantischen Wutbürger“, denn Bürger sind die Menschen unseres Landes und die, die da demonstrieren, sind zu einem Gutteil Migranten, die ihre Sicht der Dinge als Bürger anderer Länder auf unseren Straßen kundtun.
Ich halte auch die Wut auf gescheiterte Integrationspolitik, die Sie unterstellen, für ein höchst unlauteres Motiv von Menschen, die in unserem Land zu Gast sind und hierbleiben möchten. Ich habe mich am Wochenende mit dem Bürgermeister einer kleinen hessischen Stadt genau darüber unterhalten. Er erzählte mir von den 450 Migranten in seiner Gemeinde, von den Integrationsprojekten, die all die Gutmeinenden dort auf die Beine stellen und von den circa sieben immer gleichen Gesichtern, die dort mitmachen, während die andere 443 ihr eigenes Süppchen kochen. Ich bezweifele seit diesem Gespräch noch mehr als bisher, dass sich jene Menschen, die da kommen, integrieren lassen wollen. Teilhabe ist aber nur etwas für Menschen, die die ausgetreckte Hand nicht ausschlagen.
Insofern betrachte ich die Demonstranten so, wie sie sind: Sie gehen für die Sache der Palästinenser auf die Straße und protestieren damit in den allermeisten Fällen gegen das Existenzrecht Israels. Sie grenzen sich nicht genügend vom Terror der Hamas ab und sind damit schnell im Fahrwasser der Antisemiten. Ich kann das schwer ertragen und ich könnte mich nicht wie Sie entschuldigend hinter Menschen stellen, die Täter und Opfer verwechseln. Allerdings werde ich niemals fordern, dass es diese Demonstrationen nicht geben darf, weil ich der Meinung bin, dass es uns als Demokraten auszeichnet, sie zuzulassen. Das unterscheidet uns von einigen derer, die da demonstrieren.