Der bessere Kanzler
Österreichs Kanzler Kurz wird zur Schlüsselfigur Europas. Als neuer EU-Ratspräsident ruft er zum Gipfel der Grenzsicherung. Der geschmeidige Neokonservative avanciert zum Brückenbauer und repariert manchen Fehler Merkels.

Für Linke ist er ein Rechtspopulistenfreund und Reaktionär, doch für Reaktionäre ist er zu jung und weltoffen. Für Grüne gilt er als Schnösel, doch für Schnösel ist er eher der Kleinbürger, der selbst als Regierender noch Economyclass fliegt. Für Spießer ist er der Jura-Studienabbrecher, doch für Jura-Studienabbrecher ist er zu schlau und erfolgreich. Kaum ein Kanzler Österreichs musste anfangs so viel Kritik von so vielen Seiten ertragen wie Sebastian Kurz. Doch der jugendliche Kanzler macht nach neun Monaten im Amt eine überraschend gute Figur, seine Umfragewerte sind prächtig, sein Auftritt kommt geschmeidig und konziliant daher, er wirkt wie eine Verkörperung der besten diplomatischen Schule des alten Wien. Seine höfliche Interpretation der neo-konservativen Wende macht ihn in Deutschland für viele Bürgerliche sogar zu einer neuen Leitfigur - und so wird er insbesondere auf Veranstaltungen von CDU und CSU eingeladen und hofiert wie der bessere Kanzler. In dieser Woche bekommt Kurz als Gastgeber des EU-Gipfels in Salzburg die ganz große Bühne. Und er wird sie nutzen - nicht nur für schöne Bilder, sondern auch für handfeste Politik. Kurz hat einen Plan und der lautet: umfassender Schutz der Außengrenzen. "Ein Europa, das schützt", so lautet sein offizielles Motto für die österreichische Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte. Wenn Europa für seine Bürger Sicherheit schaffe, dann werde Europa auch wieder geschätzt und gewollt. Unmittelbar vor dem EU-Gipfel hat er nun mit deutlichen Worten an die Mitgliedstaaten appelliert, Europa müsse dringend die Konflikte in der Flüchtlingsfrage beilegen. "Es gibt deutlich zu viele Spannungen in der Europäischen Union", warnt er bei einem Auftritt mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Paris. "Die EU kann nur stark sein, wenn wir gemeinsam handeln", ermahnt Kurz weiter. Deshalb unterstütze er alle "Brückenbauer".