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> Rücktritt von Israels Außenminister Lieberman

Trennung auf Zeit

Avigdor Lieberman tritt als Außenminister zurück – und fast im selben Moment wieder an.

The European

Manchmal reicht ein Paar ironischer Gänsefüßchen allein nicht aus. Der „„„Rücktritt“““ des Avigdor Liebermans ist so ein Fall. Nachdem der israelische Außenminister vergangene Woche wegen Untreue und Betrugs angeklagt wurde, reichte er am Sonntag sein Entlassungsgesuch ein, ab heute Morgen um zehn Uhr lässt er alle Ämter ruhen. Ruhig wird es um ihn damit jedoch mitnichten. Vielmehr hat er bereits angekündigt, die Pause zu nutzen, um sich ganz auf den Wahlkampf zu konzentrieren – eine Pause von gerade mal fünf Wochen. Denn bei den Parlamentswahlen am 22. Januar wird er selbstredend wieder antreten – und, sofern nicht gerade alles schiefläuft, wohl auch erneut als Nummer zwei im Staate in die Regierung einziehen, sei es als Außen-, Finanz- oder sogar Verteidigungsminister, im Grunde kann er es sich aussuchen. Nach den jüngsten Umfragen wird das Bündnis von Lieberman und Benjamin Netanjahu – hierzulande liebevoll Bieberman genannt – mit 35 Sitzen die stärkste Kraft werden. Bis zum Bekanntwerden der Anklage waren es noch 38. Ein herber Einbruch sieht anders aus.

Die Israelis sind so einiges gewohnt
Nun muss man dem israelischen Wahlvolk zugutehalten, dass es nach einem wegen Vergewaltigung verurteilten Präsidenten, einem wegen Untreue verurteilten Premier und mehreren mittlerweile im Gefängnis sitzenden Ministern so einiges gewohnt ist. Ein bisschen Günstlingswirtschaft ist da nichts, was einen noch aus allen Wolken fallen ließe. Das eigentlich Tragische ist jedoch, dass trotz zwölf Jahre langer Ermittlungen – Lieberman selbst, ungebremst vom altbekannten „Die-ganze-Welt-ist-gegen-Israel“-Mantra zu „Die-ganze-Welt-ist-gegen-mich“ umschwenkend, sagt, es seien sogar 16 gewesen, 16 lange Jahre, in denen kein Tag vergangen sei, an dem er nicht befragt, verfolgt oder sonst wie schikaniert worden wäre – das eigentlich Tragische ist jedoch, dass von der ehemals seitenlangen Anklageliste nur dieser eine mickrige Punkt übrig geblieben ist: 2008 soll der damalige Botschafter in Weißrussland Zeev Ben Arie bei einem Abendessen in Minsk Lieberman, damals noch einfaches Knessetmitglied, einen Umschlag zugesteckt haben. Darin: geheime polizeiliche Informationen über Ermittlungen gegen ihn. Liebermann selbst erinnert sich an seine Reaktion so: bq. Als ich den Umschlag öffnete, wusste ich zuerst gar nicht, auf was ich da eigentlich schaue. Als ich es kapiert habe, sagte ich zu ihm: „Hör auf mit dem Quatsch“, dann habe ich den Umschlag ins Klo geworfen und abgedrückt. Nachdem Lieberman 2009 Außenminister wurde, verschaffte er dem damaligen Überbringer jedoch einen neuen, durchaus lukrativen Posten, den der sich ausdrücklich gewünscht hatte, diesmal als Botschafter in Lettland. Lieberman behauptet, Ben Arie allein aufgrund seiner Qualifikation befördert zu haben. Aber sollte nicht allein die Tatsache, dass der mit der Weitergabe vertraulicher Informationen aus einem laufenden Verfahren eine Straftat begangen hat, ihn als Botschafter disqualifizieren?
Korruption, Geldwäsche, Bestechung
Viel wichtiger sind jedoch eben jene Vorwürfe, über die in den angeblich in der Minsker Kanalisation verwesenden Papieren geschrieben stand. Denn die haben es in sich: Korruption, Geldwäsche, Bestechung. Allein in der Zeit von 2001 bis 2008 soll Lieberman mehrere Millionen Dollar über Scheinfirmen erhalten haben. Mit geradezu Berlusconi’schem Geschick ist es ihm jedoch gelungen, der Justiz ein ums andere Mal zu entkommen. Mal zog die zyprische Hauptzeugin ihre Aussage zurück und konnte sich plötzlich an nichts mehr erinnern, mal wurden die Anträge so lange verschleppt, dass ein anderer Zeuge den Ermittlern unter den Fingern wegstarb, mal saßen die Beteiligten im Ausland und waren trotz aller Bemühungen unmöglich für eine Befragung nach Israel zu bekommen. In seiner Anklageverlesung ließ Generalstaatsanwalt Jehuda Weinstein keinen Zweifel daran, dass es lediglich der zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Beweisführung geschuldet sei, dass er Lieberman, im Gegensatz zu seinem ursprünglichen Plan, nur wegen verhältnismäßig geringer Vergehen vor Gericht stellen werde. Der bestreitet alle Vorwürfe. Das Ganze sei eine linke Verschwörung, allen voran der Vorsitzenden der drei wichtigsten Oppositionsparteien. Oder wie er es sagt: der drei „Weibers“ (hier völlig ironiefrei, sondern tatsächlich als Zitat zu lesen; „Weibers“ ist jiddisch und meint genau das, was man sich darunter vorstellt). Er wünsche sich nun vor allem ein schnelles Verfahren, um seine Unschuld ein für alle Mal zu beweisen. Von Journalisten gefragt, ob ihm der Ausgang Sorge bereite, antwortete Lieberman mit einem spöttischen Grinsen. „Wie Sie gemerkt haben dürften, bin ich seit 1996 in diesem Büro. Ich gehe davon aus, dass ich nicht lange weg sein werde. Glauben Sie mir, das ist nur eine Trennung auf Zeit.“
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