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> Rücktritt von Hans-Peter Friedrich und die Folgen

Friedrich returns

Fast hätte es ein versöhnliches Ende gegeben: Fehler gemacht, Rücktritt, Respekt. Doch dann kam Friedrich erneut mit seinem fragwürdigen Rechtsverständnis um die Ecke.

The European

Als bekannt wurde, dass der frühere Bundesinnenminister Friedrich in der neuen Regierung das Landwirtschaftsressort erhalten würde, war ich schon etwas traurig. Nicht, dass ich Friedrich wegen seiner herausragenden Arbeit vermisst hätte – ehrlich gesagt wüsste ich auf Anhieb keine einzige herausragende Leistung seiner Amtszeit zu benennen –, aber er schaffte es in schöner Regelmäßigkeit, mit seinen Äußerungen für Kolumnenthemen zum Rechtsstaat zu sorgen. Seine Meinung zur NSA: "„Diese Mischung aus Antiamerikanismus und Naivität geht mir gehörig auf den Senkel“":http://www.tagesschau.de/kommentar/friedrich-nsa100.html, war ebenso bemerkenswert für einen Verfassungsminister, wie das von ihm propagierte Supergrundrecht auf Sicherheit, dem irgendwie dann alle anderen Grundrechte unterzuordnen wären. Dank "Friedrich war meine Kolumne vom 21.7.2013":http://www.theeuropean.de/heinrich-schmitz/7213-supergrundrecht-sicherheit recht gut besucht. Okay, das ist ein egoistisches Motiv, aber Friedrich dürfte der Letzte sein, der einem vorwerfen wird, seine eigenen Interessen in den Vordergrund zu stellen.

Die Fakten sind unstrittig
Nun war er plötzlich nur noch Landwirtschaftsminister und außer Gefahr, sich weiter verfassungsrechtlich zu verheben. Dachte ich. Doch dann kam die "sogenannte Edathy-Affäre":http://www.theeuropean.de/heinrich-schmitz/8018-der-fall-edathy-kinderpornos-und-das-recht und mit ihr – die man auch getrost Friedrich-Affäre hätte nennen können – der schnelle Rücktritt. Da dachte ich für einen Moment, okay, jetzt hat er eingesehen, dass das, was er gemacht hat, nicht richtig war, daraus die Konsequenzen gezogen und sich zurückgezogen. Das hätte jedenfalls Respekt verdient. Jetzt soll nach Informationen der "„Welt“ die Staatsanwaltschaft Berlin prüfen, ob Friedrich sich strafbar gemacht hat":http://www.welt.de/politik/ausland/article125102766/Staatsanwaltschaft-will-gegen-Friedrich-ermitteln.html. Könnte durchaus sein. Der objektive Sachverhalt ist – was Friedrichs Fehlverhalten angeht – ja recht übersichtlich. Der BKA-Chef Jörg Ziercke informierte den Bundesinnenminister darüber, dass der Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy auf der Kundenliste eines zwielichtigen Unternehmens aus dem Bereich der Kinderpornografie und merkwürdiger Kindernacktfilme in Kanada stand. Diese Information gab Friedrich an SPD-Chef Gabriel weiter. Ob dabei von drohenden Ermittlungen gegen Edathy die Rede war, wird unterschiedlich dargestellt, ist aber relativ unwichtig. Dass es sich bei der Information des BKA-Chefs um ein Geheimnis gehandelt hat, ist ebenso unstrittig, wie die Tatsache, dass Friedrich es weitergegeben hat.
Eine Gleichheit, die Friedrich nie verstanden hat
Seine Verschwiegenheitspflicht ergibt sich außer aus dem StGB selbst auch noch explizit aus dem § 6 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Bundesregierung ("BminG":http://www.gesetze-im-internet.de/bming/). bq. (1) Die Mitglieder der Bundesregierung sind, auch nach Beendigung ihres Amtsverhältnisses, verpflichtet, über die ihnen amtlich bekanntgewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt nicht für Mitteilungen im dienstlichen Verkehr oder über Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. Der "objektive Tatbestand des § 353b StGB":http://dejure.org/gesetze/StGB/353b.html, der den Geheimnisverrat durch Amtsträger unter Strafe stellt, ist damit erfüllt. Eine Befugnis zur Weitergabe der Info kann ich nirgends erkennen. Nun bedeutet das alleine noch nicht, dass Friedrich sich auch strafbar gemacht hat oder wegen dieser Tatbestandserfüllung auch tatsächlich bestraft wird. Für ihn gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung, wie für jeden anderen Verdächtigen. Auch bei ihm muss geprüft werden, ob er wusste, was er tat, ob es eventuell "Rechtfertigungsgründe":http://de.wikipedia.org/wiki/Rechtfertigungsgrund gab, oder ob er eventuell ohne Schuld gehandelt hat. So sind die Regeln im Strafverfahren. Und die Regeln gelten für alle gleichermaßen. Vielleicht ist aber diese Gleichheit im Recht ja genau das, was Herr Friedrich nie so richtig begriffen hat. Schon beim Supergrundrecht konnten da erhebliche Zweifel an seinem Rechtsverständnis aufkommen. Aber mit seiner Verteidigung im „Morgenmagazin“ erklimmt er neue Gipfel: "„Es war meine Pflicht, das zu machen - ich kann das gar nicht verstehen, wie man das anders sehen soll, es sei denn, man ist Winkeladvokat oder Rechtspositivist.“":http://www.heute.de/ehemaliger-bundesinnenminister-friedrich-aeussert-sich-zu-seinem-rucktritt-bei-affaere-edathy-32008508.html
Rechtspositivismus lässt tief blicken
Der Winkeladvokat und auch der Rechtsverdreher seien ihm geschenkt. So reden Menschen oft über Juristen und Anwälte, wenn ihnen keine sachlichen Argumente einfallen. Das ist ein bisschen kläffen, ein wenig pöbeln. Aber der Verweis auf den "Rechtspositivismus":http://de.wikipedia.org/wiki/Rechtspositivismus lässt schon tiefer blicken. Der Rechtspositivismus ist eine innerhalb der Rechtsphilosophie vertretene Lehre, die – verkürzt dargestellt – die Geltung von Gesetzen allein auf deren positive Setzung in einem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und/oder ihre soziale Wirksamkeit zurückführt. Eine Rechtsanwendung ist danach rechtspositivistisch, wenn sie sich ausschließlich am Gesetz orientiert. Es gibt heute kaum noch Vertreter der reinen rechtspositivistischen Lehre und auch das GG verpflichtet in Art. 20 Abs. 3 GG die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht, erkennt also einen möglichen Unterschied zwischen beiden. Dass geschriebenes Gesetz und Recht nicht immer und überall übereinstimmen, war eine Erkenntnis insbesondere aus dem nationalsozialistischen Deutschland, in dem mit Gesetzen grausamstes Unrecht begangen wurde. Der große Rechtsgelehrte Gustav Radbruch hat das so ausgedrückt: bq. „Wo also […] Gerechtigkeit nicht einmal erstrebt wird, können die so geschaffenen Anordnungen nur Machtansprüche sein, niemals Rechtssätze […]; so ist das Gesetz, das gewissen Menschen die Menschenrechte verweigert, kein Rechtssatz. Hier ist also eine scharfe Grenze zwischen Recht und Nicht-Recht gegeben, während wie oben gezeigt wurde, die Grenze zwischen gesetzlichem Unrecht und geltendem Recht nur eine Maßgrenze ist […].“ _Gustav Radbruch: Vorschule der Rechtsphilosophie. 2. Auflage, Göttingen 1959, S. 34._ Das bedeutet nun aber keineswegs, dass jeder sich nun nach eigenem Gusto an geltende Gesetze halten kann oder auch nicht, sondern nur, dass Gesetze, die ein unerträgliches Unrecht enthalten, kein Recht sind.
Die Große Koalition ist nicht das deutsche Volk
Wenn Friedrich meint, er habe einen Geheimnisverrat begehen dürfen, offenbart das eine unglaubliche Hybris. Offenbar will er damit sagen, dass der § 353b StGB jedenfalls für ihn nicht maßgeblich ist. Dass er gegen dieses Gesetz verstoßen durfte oder sogar musste. Zitat Friedrich: „Wenn es ein Gesetz gibt, das einen zwingt, nicht Schaden vom deutschen Volk, von der Politik von Amts wegen abzuhalten, dann muss man dieses Gesetz sofort aufheben.“ Da bin ich aber mal gespannt, ob der § 353b StGB bald abgeschafft wird, weil er irgendjemanden davon abgehalten haben soll, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Warum sollte die Vorschrift des Geheimnisverratsverbots gegen Naturrecht verstoßen? Warum sollte die Vorschrift unerträgliches Unrecht sein? Weil Friedrich das behauptet? Inwiefern hat Friedrich mit seiner Informationsweitergabe an Gabriel denn tatsächlich Schaden vom deutschen Volk abgehalten? Vielleicht wollte er Schaden von der Großen Koalition abhalten, die aber nun trotz aller Übermacht im Bundestag beileibe nicht das deutsche Volk ist. Vielleicht wollte er ja auch Schaden von der SPD abhalten, die aber ebenfalls nicht das deutsche Volk ist. Aber warum sollte ein CSU-Minister die Sozen schonen wollen? Nein, § 353b StGB zwingt keinen dazu „nicht Schaden vom deutschen Volk abzuhalten“, die Strafvorschrift zwingt nur dazu, Dienstgeheimnisse und Amtsgeheimnisse zu bewahren und nicht an Dritte weiterzugeben. Die könnten im konkreten Fall doch glatt einen Verdächtigen warnen, um ebenfalls Schaden von irgendwem oder -was abzuhalten.
Es drohte nicht der Untergang des Abendlandes
Es stand weder der Bestand der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zur Debatte noch der Untergang des christlichen Abendlandes. Selbst wenn Herr Edathy ein Regierungsamt bekommen hätte, wäre das nicht der Fall gewesen. Zwar irgendwie blöd, aber keine ernsthafte Katastrophe. Bisher wurde Herrn Edathy keine Straftat nachgewiesen. Wenn er tatsächlich glaubte, er müsse Schaden vom deutschen Volk abwenden, warum informierte Friedrich dann nicht erst mal die Kanzlerin oder das Kabinett, beriet sich mit einem Rechtsexperten innerhalb seines Ministeriums oder fragte einen Anwalt, sondern informierte ohne lange nachzudenken einen außerhalb der Regierung stehenden Vorsitzenden einer (Noch-)Nichtregierungspartei? Und was sollte der überhaupt nach Friedrichs Vorstellung mit der Information anfangen? Wenn Friedrich „gar nicht verstehen“ kann, warum es Menschen gibt, die es weder für seine Pflicht noch auch nur für legal halten, was er da gemacht hat, dann mag er mit einem Verbotsirrtum oder mit Schuldunfähigkeit argumentieren. Ich neige fast dazu, ihm das abzunehmen. Ihm zu glauben, dass ihm das Unrechtsbewusstsein fehlte, weil er nicht in der Lage war, das Unrecht seiner Handlung zu erkennen. Ihm zu glauben, dass er ein Überzeugungstäter war, der glaubte, er stünde über dem Gesetz, er habe eine einsame Mission zur Rettung der Nation zu erfüllen. Als Kind mochte ich solche Typen ja. Aber die tobten sich auch nur in Comics aus und hießen Superman oder schlimmer noch Batman. Superhelden verschwenden keine Zeit mit unnötigen Drohungen oder Erklärungen und nutzen alle zur Verfügung stehenden Mittel, um ihre Ziele zu erreichen. Superhelden kennen keine Zweifel, kein Unrechtsbewusstsein. Superhelden müssen nicht denken, die handeln bedenkenlos. Mag sein, dass Friedrich sich in dieser Tradition sieht. Sein „Ich komme wieder“ in der Rücktrittspressekonferenz klang wie das berühmt-berüchtigte "„I’ll be back“":http://en.wikipedia.org/wiki/I%27ll_be_back des Terminators. Und wer weiß, vielleicht gibt es ja tatsächlich irgendwann „Friedrich returns“. Batman hat’s ja auch geschafft.
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