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> Rezension „Roadmaps 2020“

Kein Weg führt nach Berlin

Eigentlich soll in Roadmaps 2020 eine rot-grüne Zukunftsvision skizziert werden. Leider klingt der Text wie die aktuelle SPD-Kampagne: verzagt, wehleidig und depressiv.

The European

Dieses Buch sollte die Blaupause für Rot-Grün nach der Bundestagswahl am 22. September werden. Dass diese Konstellation die amtierende Koalition aus Union und FDP ablösen wird, ist so sicher wie die Eröffnung des neuen Berliner Flughafens im kommenden Jahr. Die Herausgeber des Sammelbandes haben sich vor wenigen Jahren im „Denkwerk Demokratie“ zusammengefunden, um die Lücke zwischen Erkenntnis und Einsicht und Umsetzung und Regierungsfähigkeit zu schließen. Herausgekommen ist jetzt – wenige Wochen vor dem Wahltermin – ein schwer lesbares, ansatzweise sympathisches Sammelsurium an Ideen und Konzepten für „mehr Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Demokratie“.

Konservativer Rollback?
Hofften die Herausgeber auf eine gemeinsame Roadmap, sind am Ende mehrere unterschiedliche und zum Teil sich widersprechende Landkarten entstanden. Das Buch beginnt mit einer Ent- oder besser: Selbsttäuschung. Auf die globale Finanz- und Wirtschaftskrise folgte nicht der ersehnte „Green New Deal“, sondern ein „konservativer Rollback in Deutschland und Europa“. So viel vermutete Omnipotenz für die deutsche Bundeskanzlerin ist schmeichelhaft, trifft aber nicht die politische Wirklichkeit in Europa. Diese ist in vielen Ländern (Frankreich voran) von einer Wirklichkeitsverweigerung geprägt, die man auch strukturkonservativ nennen kann, aber mit der Politik der jetzigen deutschen Regierung nichts zu tun hat. Die deutsche Austeritätspolitik steht jedenfalls recht alleine im Euro-Haus da. An ein „Weiter so, Deutschland“ glaubt im Unterschied zu den nostalgischen 80er-Jahren niemand im Deutschen Bundestag, auch nicht bei den „Neoliberalen“ in CDU/CSU und FDP. Die Euro-Rettung wird teurer, auch für Deutschland. Die Wahrheit ist bei den Wählern längst angekommen. Muss sie deshalb auch ausgesprochen werden?
Die begleitende Prosa zu depressiven Plakaten
Viele Beiträge erinnern an die aktuellen Plakate der SPD: sie sind wehleidig, verbreiten eine depressive Grundstimmung und sind verzagt. Wer soll mit solchen „Heulsusen“ (Steinbrück) Kanzler werden? Es ist immer gut, Politik mit einem Ideen- und Wertegerüst zu versehen und philosophische und soziologische Werke zu zitieren. Aber warum müssen es mit Harald Welzer und Wolfgang Streeck Autoren sein, die sich von den Grünen abgewendet haben und zum Wahlboykott aufrufen (Welzer) oder Deutschland den Austritt aus der Euro-Zone nahelegen (Streeck)? Zwei Dinge fallen beim Durchblättern auf: Die „Agenda 2010“ der ersten rot-grünen Bundesregierung wird bei keinem Wort erwähnt (auch darum heißt der Band eher unverständlich „Roadmaps 2020“ – und nicht „Agenda 2020“). Dabei waren es Schröder und Fischer und ihre Parteien, die den Bankensektor dereguliert und auf mehr Wettbewerb und Freiheit gesetzt haben. Unter den Autoren findet sich kein einziger Unternehmer. Immerhin darf ein Betriebsrat eines Münchner Automobilkonzerns seinen Arbeitgeber als positives Beispiel einer neuen Arbeitswelt rühmen. Staat, Gewerkschaften und einige zuwendungsabhängige NGOs sollen es also alleine richten. Das wird nicht reichen, weder auf dem Markt der Leser noch auf dem Markt der Wähler. _Denkwerk Demokratie (Hg.). Roadmaps 2020. Wege zu mehr Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Demokratie. 273 Seiten. Campus Verlag. Frankfurt 2013. Euro 19,90. _
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