Rechts überholt
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Ein Gespenst geht um in Europa. In immer mehr Ländern sind Rechtspopulisten an der Regierung oder in den Parlamenten. Die FPÖ in Österreich, Jean-Marie Le Pen in Frankreich, Geert Wilders in den Niederlanden oder Jimmie Åkesson in Schweden: Klassisch konservative Parteien werden rechts überholt.

Seit einiger Zeit verbuchen rechtspopulistische Parteien in Europa achtbare Erfolge. In Dänemark toleriert die Dansk Folkeparti eine liberal-konservative Koalition, in den Niederlanden stützt sich die Minderheitsregierung von Christdemokraten und Rechtsliberalen auf die Partij voor de Vrijheid von Geert Wilders. In Österreich und Italien waren die FPÖ und die Lega Nord lange an der Regierung beteiligt; in Schweden und Ungarn gelang es rechtspopulistischen Parteien auf Anhieb, in die Parlamente einzuziehen. Auch in Deutschland wird das Wählerpotenzial für eine Partei rechts von der CDU auf eine zweistellige Prozentzahl geschätzt. Nun sind rechtspopulistische bzw. rechtsextreme Parteien kein neues Phänomen. In der Vergangenheit konnten sie zum Teil auch Achtungserfolge erzielen, so z. B. Jean-Marie Le Pen bei den französischen Präsidentschaftswahlen 2002. Jedoch war dies oftmals Ausdruck von Unzufriedenheit mit den etablierten Parteien. Nun sind allerdings Veränderungen feststellbar. Der "klassische" Nationalismus hat offenbar ausgedient. 60 Jahre europäische Integration haben dazu geführt, dass ein Krieg zwischen den westlichen EU-Mitgliedstaaten eigentlich als undenkbar gilt. Vielmehr scheint hier ein europäischer Nativismus den Nationalismus ersetzt zu haben. Es wird Angst geschürt vor Zuwanderern im Allgemeinen und dem Islam im Besonderen. Rechtspopulistische Parteien bemühen das Bild der "Festung Europa" und berufen sich häufig auf das Christentum, um einen Unterschied zu schaffen zwischen "uns" und "den anderen". Die Situation in Mittel- und Osteuropa hingegen ist eine andere. Rechtspopulistische Parteien verbuchen auch hier Erfolge. Jedoch kann dies kaum mit einer Abgrenzung gegenüber dem Islam begründet werden, da es aufgrund der Geschichte in den Ländern des ehemaligen Ostblocks, die heute der EU angehören, wenig bis keine Muslime gibt. Stattdessen beruft man sich hier auf alte Vorurteile gegenüber Minderheiten wie Sinti und Roma, Juden oder Homosexuelle. Zudem gibt es mitunter auch Spannungen zwischen den Nachbarländern. Diese Ost-West-Unterschiede mögen vielleicht auch ein Grund dafür sein, dass es auf europäischer Ebene (noch) keine rechtspopulistische Bewegung gibt. Die Gefahr besteht allerdings durchaus.