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> Progressives Bürgertum

Gegen das Untertanentum

Die oft schwärmerisch verbrämte Rede von der neuen Bürgerlichkeit bejubelt eine Entwicklung, die mehr Abgrenzung nach unten denn emanzipatorische Kraft bedeutet. Progressive Bürger braucht das Land, keine Untertanen!

The European

Im Sinne einer sozialistischen Gesellschaftsanalyse würde man „Bürgerlichkeit“ oder das „Bürgertum“ aus seiner ökonomischen Stellung heraus ableiten. Man kann also vom Besitzbürgertum sprechen, von der Schicht oder Klasse, die aus wirtschaftlichen Gründen eine Gesellschaft dominiert. Allerdings hat sich der Begriff des Bürgertums in den vergangenen Jahrzehnten ausdifferenziert. Auch die linke Gesellschaftsanalyse hat die Ausfächerungen der Klassengesellschaft aufgegriffen – ich denke besonders an die treffenden Analysen von Pierre Bourdieu. Hier werden der Fokus auf die Lebensweise, auch den Habitus der sozialen Milieus, gelegt und sogenannte Wertvorstellungen untersucht.

Bürgertum als Abgrenzung nach unten
Das heißt, Bürgerlichkeit hat etwas mit der wirtschaftlichen und damit machtpolitischen Stellung zu tun, aber auch mit durchaus emanzipatorischen Potenzialen: Aufklärerische Gesellschaftskritik kam und kommt oftmals aus bürgerlichen Kreisen. "Aufgeklärtes Bürgertum könnte also bedeuten, ökonomisch durchaus gut dazustehen und sich dennoch für mehr Gerechtigkeit, Aufklärung und mehr Gleichheit zu engagieren(Link)":http://www.theeuropean.de/matthias-matussek/4716-was-eint-die-deutschen. Gerade in der Geschichte der Bundesrepublik waren es oftmals Mitglieder der bürgerlichen Schichten, die fortschrittlich in die Politik eingegriffen haben. Gustav Heinemann ist ein gutes Beispiel. Leider ist meines Erachtens die sogenannte neue Bürgerlichkeit mit keinen emanzipatorischen Bestrebungen verbunden, sondern eher mit recht rabiaten Abgrenzungsritualen nach unten. Man kann die neue Bürgerlichkeit als ideologisches und tagespolitisches Instrument zur Abwehr von mehr Gleichheit durch staatliche Regulierung bezeichnen. Am deutlichsten wurde dies bei der Volksabstimmung über das Schulsystem in Hamburg. Via Volksentscheid mobilisierte dort ein offenkundig radikalisiertes Bürgertum gegen die "Bildungsreform(Link)":http://www.theeuropean.de/debatte/1619-bildungsstreik des Senats – die von der hanseatischen CDU bis zur Linkspartei unterstützt wurde, um schwächeren Kindern mehr Chancen einzuräumen. Die Vehemenz, die finanzielle Macht und der Einfluss der Reformgegner waren im wahrsten Sinne des Wortes Klassenkampf von oben. Erschreckend dabei war, dass jegliche Empathie für die Kinder der Verlierer der neoliberalen Ellenbogen-Gesellschaft fehlte. Diese Tendenzen verstärken sich in der Gesellschaft: Angefangen von abgezäunten Wohngebieten für Besserverdienende und einer zunehmenden Abgrenzung und Verachtung für einen Lebenswandel, der schlicht von Armut geprägt ist.
Diesen Entwicklungen gilt es sich entgegenzustellen
Ich würde mir ein progressives Bürgertum wünschen, das an mehr Gleichheit in der Gesellschaft interessiert ist und gleichzeitig die kulturelle Offenheit einer Gesellschaft voranbringt. Als Sozialist werbe ich ausdrücklich für eine Zusammenarbeit zwischen der Linken und progressivem Bürgertum, deren Ziel die Hegemonie von Solidarität und individueller Freiheit ist und die jeden Querdenker und Querulanten freudig begrüßt. Das wäre ein echter Fortschritt. Und es würde verhindern, dass der Prototyp deutscher Bürgerlichkeit zu viel Einfluss gewinnt: Der von "Heinrich Mann(Link)":http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Untertan so wunderbar ekelhaft beschriebene „Untertan“. Den Untertanengeist zu besiegen, ist erste Bürgerpflicht.
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