„Mein System ist kein System“
Früher Arzt und Chemiker, heute Kunstmäzen: Im Gespräch mit Veronika Bürklin spricht Thomas Olbricht über die vergängliche Liebe zur Kunst und erklärt, wie er das perfekte Werk für seine Sammlung findet.

*The European: Herr Olbricht, gibt es die Liebe zum Kunstwerk auf den ersten Blick?* Olbricht: Sicherlich gibt es sie, die Liebe auf den ersten Blick, genau wie zwischen Mann und Frau. Aber ich glaube, die Liebe zum Kunstwerk ändert sich im Laufe der Zeit. Sie ist abhängig von Verschiebungen der persönlichen Vorlieben und Leidenschaften, die dem eigenen Altern geschuldet sind, aber eben auch von Moden auf dem Kunstmarkt und natürlich von dem immer geschulteren Qualitätsblick. Als Sammler entwickelt man einen grundästhetischen Verstand, der immer wieder auf ähnliche Reize anspricht. *The European: Was für Reize meinen Sie?* Olbricht: Im ersten Schritt sind das meist einfache Grundreize, mich z.B. fesseln Farben: Gelb, Rot, Grün und Blau. Aber auch diese Reize können sich mit der Zeit ändern. Im Gegensatz zu meinen Anfängen sammele ich heute eher gesetztere zeitgenössische Kunst – möglicherweise liegt das aber einfach an meinem Alter. *The European: Also haben Sie sich durchaus schon einmal blitzartig verliebt?* Olbricht: Bei mir ist es nicht so, dass ich etwas sehe und mich anschließend tagelang im Schlaf wälze. Meist steht die Entscheidung zum Kauf sofort fest. Dann halte ich mich nicht mehr an meine persönliche 24-Stunden-Frist, die ich mir eigentlich immer vornehme. Man hadert, wenn man ja gesagt hat, aber es ist erst einmal vorgekommen, dass ich zu schnell entschieden habe und von einem Kauf zurückgetreten bin. *The European: Hält das Gefühl dann für immer an?* Olbricht: Nein, auch diese Liebe kann verfliegen. Gilt das Gefühl einem einzelnen Kunstwerk, kann es schon passieren, dass es nach 10 oder 20 Jahren nicht mehr so stark ist. Manchmal hält es dafür ewig. Gilt es aber einem Künstler und seinem gesamten Werk, hängt das auch noch von äußerlichen Faktoren ab. Einige Künstler sind eine Zeit lang en vogue, werden hoch gefeiert und das nicht nur preislich. Manchen steigt dieser Ruhm dann zu Kopf oder es tritt schlichtweg Überforderung ein und nichts Gutes kommt mehr nach. Dann lässt das Gefühl natürlich nach. Gerade als Sammler von zeitgenössischer Kunst muss man daher die Augen offen halten und stets auf der Jagd sein.