Kehrt marsch!
Wer traf die Entscheidung, den Eindruck erwecken zu wollen, es habe keine zivilen Opfer beim Luftangriff in Kunduz gegeben? Und schlimmer noch: An dieser Darstellung auch festzuhalten, als gegenteilige Informationen vorlagen? Über eine "Kommunikationspanne" und deren politische Konsequenzen.

Chaostage in Berlin. In wenig mehr als 24 Stunden traten zurück: ein Minister, der nicht mehr anders konnte – Franz Josef Jung. Ein Verteidigungsstaatssekretär, der nicht mehr anders durfte – Peter Wichert. Und der oberste Soldat der Bundeswehr, der Generalinspekteur, der nicht mehr anders wollte – Wolfgang Schneiderhan. Doch was war der Anlass? Offiziell “Informationspannen” im Verteidigungsministerium bei der Auswertung eines fatalen Luftangriffs am 4. September nahe Kunduz. Einfacher gesagt: Zwei Minister glauben, man habe sie zu spät oder unvollständig informiert. Das habe sie zu nicht haltbaren Aussagen verleitet und mache die Rücktritte erforderlich. Ein Argument aus den Tiefen der Trickkiste des Primats der Politik. Beginnen wir mit dem Kollateralschaden der Präzisionsbombe, die die Bild-Zeitung auf das Verteidigungsministerium abwarf, dem Rücktritt des Generalinspekteurs: “Melden macht frei.” Das beherzigt jeder Uniformträger. Kaum vorstellbar ist es deshalb, dass der Generalinspekteur der politischen Leitung des Ministeriums zentrale Informationen oder neue Berichte zu dem Luftangriff vorenthielt. Wichtige Dokumente gibt der Generalinspekteur unverzüglich an die politische Leitung weiter. Im Normalfall ist ein Staatssekretär sein Ansprechpartner, in wichtigen Fällen wird auch an den Minister gemeldet. Schneiderhan und andere Generale haben Minister Jung wiederholt gewarnt, zivile Opfer auszuschließen. Der aber schlug die Warnungen in den Wind. Zunächst leugnete er, den Bericht aus Masar zu kennen. Dann gab er zu, ihn für eine Untersuchung der NATO freigegeben zu haben. Nun will er ihn nicht gelesen haben. Vielleicht ein wenig näher an der Wahrheit.