Verlockende Transparenz
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Was eine Kleine Anfrage der Linkspartei mit einem gescheiterten Autotest verbindet.

Fast fünfzig Mal. So häufig haben sich seit Oktober 2009 Vertreter der Finanzwirtschaft mit Mitgliedern der Bundesregierung zusammengesetzt. Christoph Brand, Partner bei Goldman Sachs: vier Treffen mit Finanzminister Schäuble. Martin Blessing, Commerzbank-Chef: zwölf Treffen mit Schäuble und eine Asienreise mit Kanzlerin Merkel. Jürgen Fitschen, Co-Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank: ein Gespräch mit Merkel, eins mit Schäuble, mehrere Auslandsreisen im Tross der Kanzlerin. Rechnet man nicht lediglich die Kontakte zu Bundesministern auf, sondern bezieht auch Kontakte zu Staatssekretären ein, schnellt die Zahl rapide weiter nach oben. Die Liste wird angeführt von Goldman-Sachs-Mann Brand mit 45 zustande gekommenen Treffen. Präsenter als die Finanzwirtschaft dürfte kaum eine Branche in den Zirkeln der Macht vertreten sein. Man denke nur an die Geburtstagsfeier, die Merkel im April 2008 für den damaligen Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, im Kanzleramt schmiss. Fünf Monate später kollabierte Lehman Brothers. Das alles ist in Einzelheiten bekannt geworden, weil die Linkspartei im Bundestag im November 2012 eine "Kleine Anfrage":http://www.gesetze-im-internet.de/btgo_1980/__104.html an die Regierung gestellt und um die Auflistung von „Beziehungen von Geschäftsbanken und Investmentbanken zur Bundesregierung“ gebeten hat. Am 11. Februar antwortete Hartmut Koschyk, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, an das zuständige Büro von Bundestagspräsident Lammert. Im Anhang des Schreibens: 34 Seiten mit Erklärungen und tabellarischen Auflistungen aller seit 2009 erfolgten Kontakte (das komplette PDF gibt es "hier":http://dokumente.linksfraktion.de/inhalt/antwort-br-ka-beziehungen-gescha-fts-investmentbanken-br-130211.pdf). Die Antwort war detaillierter als erwartet. Man wolle „durch Offenlegung jede Skandalisierung vermeiden“, zitiert "„Spiegel Online“":http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/bundesregierung-legt-zahlreiche-kontakte-zu-investmentbanken-offen-a-884445.html aus dem Umfeld der Regierung. Skandalisierung lässt sich bei einem solchen Thema allerdings schwer vermeiden. „Einflüsterer Goldman Sachs“, titelte die "„Süddeutsche“":http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/einfluss-der-finanzbranche-bundesregierung-hoert-auf-goldman-sachs-1.1604853 auf ihrer Webseite nach Bekanntgabe der Zahlen und fuhr fort: „Auch nach der Finanzkrise lässt sich die Bundesregierung intensiv von Goldman Sachs beraten.“ Die selbst gekrönten „Masters of the Universe“ dürfen also nicht nur ungestraft die Weltwirtschaft an die Wand fahren, sondern danach weiter mit der politischen Führungselite dinieren, als sei’s ein bloßes Kavaliersdelikt gewesen.