Die mit dem Netz arbeiten
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Ein schwaches Parteiensystem personalisiert den brasilianischen Wahlkampf. Dabei erreicht E-Campaigning dort mehr Menschen, als die gesamte Online-Nutzerschaft Deutschlands ausmacht. Die Inhalte aber bleiben auf der Strecke.

Am 3. Oktober wählt ein Medienschwellenland: Auf der einen Seite steht "Brasilien 2.0", das mit aktivem Online-Campaigning aufwartet, aufgeschlossen für elektronische Demokratie-Experimente ist und unverdrossen mit Wahlcomputern abstimmt. In den Armenvierteln oder auf dem Land ist von diesem Modernisierungsschub nichts zu spüren, die Macht der Drogenkartelle ist ein Dauerthema, Korruption und Patronage stehen noch immer auf der Tagesordnung. In diesem Brasilien informiert das Fernsehen über Politik – wenn überhaupt. Bedingt durch ein schwaches Parteiensystem hat die Personalisierung im Wahlkampf eine überragende Bedeutung erlangt. So ist es kein Zufall, dass der scheidende Präsident Luiz Inácio Lula da Silva im Wahlkampf enorm präsent ist. Lula macht kein Hehl daraus, dass er seine ehemalige Mitarbeiterin Dilma Rousseff gern im Amt sehen möchte. Die Chancen dafür stehen gut: Die vormalige Ministerin im Präsidialamt liegt in den Meinungsumfragen knapp über der im ersten Wahlgang benötigten absoluten Mehrheit vor José Serra (27 %) und Marina Silva (11 %).