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> Neue Debatte um den Zölibat

Franziskus und die verleugneten Väter

Artikel vom

Stefan Hartmann ist Pfarrer und Vater. Jetzt hat er böse Post vom Bistum bekommen – wo bleibt der vom Papst initiierte Wandel?

The European

Als der heutige Papst Franziskus noch Jorge Mario Bergoglio hieß, erzählte er einmal einen Witz von den zwei Priestern, die sich über ein künftiges Konzil unterhalten: bq. Und einer fragt: „Wird ein neues Konzil den Pflichtzölibat aufheben?“ Und der andere gibt zur Antwort: „Ich meine ja.“ Aber der erste fügt hinzu: „In jedem Fall werden das nicht mehr wir erleben, sondern unsere Kinder.“ Zu diesem Zeitpunkt hätte Bergoglio wahrscheinlich nicht gedacht, dass er selbst einmal die Möglichkeit bekommen würde, dieses künftige Konzil einzuberufen oder auch einfach selbst ein paar Entscheidungen zu treffen. Vielleicht gefiel der Witz dem Heiligen Geist ja auch ganz gut. Wer will das wissen? Für den gab’s ja auch kein Enthaltsamkeitsgebot.

Der Dornenvögel sind viele
Alle Jahre wieder Zölibatsdiskussion und nie ändert sich etwas. Nun, vielleicht bringt der charismatische Franziskus ja eine Chance für alle diejenigen Priester, die in Beziehungen leben und diese aus Angst um ihr Priesteramt geheim halten. Der Dornenvögel sind viele. Und nicht wenige von ihnen sind auch nicht nur im übertragenen Sinne Vater geworden, sondern auch im ganz real biologischen. Einer von ihnen, Vater einer jetzt 24-jährigen Tochter, ist der Pfarrer Stefan Hartmann. Bereits 2008 hatte er seine Gemeinde und das Erzbistum informiert. Weder von Seiten der Gemeinde noch von der des Bistums hatte es Probleme gegeben. Die könnte er allerdings jetzt bekommen. In der Sendung „Nachtcafé“ des SWR hatte Hartmann, Pfarrer in Oberhaid, am 10. Januar mit seiner Lebensgeschichte statt der rund 400 Leute, die in seinen Sonntagsgottesdienst kommen, gleich ein Millionenpublikum erreicht. Das war offenbar Grund genug, ihn zum Schweigen zu bringen. Erst mal bis zum 21. Januar. Auf seiner Facebookseite veröffentlichte Hartmann eine „Ermahnung“. Darin hieß es u.a.: bq. „Sie haben im Bayerischen Rundfunk und andernorts den Zölibat als ,Anachronismus, der vielen Menschen und der Kirche schadet‘ bezeichnet. Damit stellen Sie sich expressis verbis gegen Aussagen zum Zölibat im ,Dekret über Dienst und Leben der Priester‘ des Zweiten Vatikanischen Konzils ,Presbyterium ordinis‘ Nr. 16 und durch Ihre medialen Auftritte und Äußerungen in Fernsehen, Presse und social media verursachen Sie für die kirchliche Gemeinschaft Schaden und Verwirrung (vgl. c. 1741, Nr. 1 und c. 1373 CIC).“ Abschließend: „Wir werden in Kürze ein Gespräch mit Ihnen führen. Ab sofort haben Sie sich jeder weiteren Äußerungen zum Zölibat und anderen damit zusammenhängenden Themen zu enthalten.“
„Halt’s Maul, Hartmann“
Das kann man natürlich so sehen, muss man aber nicht. Für viele Katholiken, die den TV-Auftritt und die anschließenden Berichte gesehen haben, entsteht ein Schaden für die kirchliche Gemeinschaft weniger durch einen offenen Diskurs über real existierende Lebenswirklichkeiten von Priestern und deren Kindern als vielmehr durch das elende Totschweigen solcher Umstände. Halt’s Maul, Hartmann. So kommt das rüber. Was sich die entsprechenden Amtskirchenvertreter davon versprechen, ist mir allerdings völlig schleierhaft. Glauben die vielleicht, die Gläubigen würden in Scharen die Kirchen verlassen, wenn sie davon erfahren, dass Priester auch Männer sind? Nicht nur fähig, das Evangelium zu bezeugen, sondern auch Kinder? Solche Fälle kennt jeder Katholik aus seiner Gemeinde. Das ist nichts Neues und das kann auch gar nichts Neues sein. Wie heißt es so treffend: Der Geist ist willig …, oder auch: Wo die Liebe hinfällt … Im Rheinland zuckt man mit der Schulter und sagt: „Et kütt wie et kütt.“ Warum sollte es nicht möglich sein, für diese Menschen andere Lösungen zu finden, als man sie bisher hatte? Warum nicht öffentlich mit denen reden, die an diesem Konflikt leiden und nicht weiter lügen und heimlich tun wollen? Man kann zum Zölibat stehen, wie man will, im Moment gibt’s ihn nun mal und die Zeugung eigenen Nachwuchses ist für katholische Priester keine von der Amtskirche vorgesehene Option zur Steigerung der Anzahl der Katholiken. Mit ihren bisherigen Regelungen für den Fall, dass es mit dem Zölibat aus menschlichen Gründen das ein oder andere Mal nicht klappt, weil auch Priester nur Menschen sind und sich verlieben, hat die Kirche allerdings nach Schätzungen der „Vereinigung katholischer Priester und ihrer Frauen“ (VKPF) – ja so was gibt’s – in den letzten zehn Jahren rund 100.000 Priester verloren. Vermutlich wären die meisten gerne Priester geblieben und wohl kaum schlechtere als die, die ebenfalls eine Beziehung oder ein Kind haben und aus Liebe zu ihrem Priesterberuf gezwungen werden, zu lügen und ihre Kinder zu vernachlässigen. Viel weniger werden das auch nicht sein.
Hauptsache diskret
Natürlich kann man einwenden, dass derjenige, der Ehelosigkeit und Enthaltsamkeit gelobt hat, ja selber Schuld an der Situation hat und nicht jammern soll. Das mag für den Priester selbst ja stimmen, aber was ist mit seinem Kind? Das hat nichts gelobt und nichts geschworen und soll auf seinen Vater verzichten? Gerade die erzkonservativen Katholiken, die jede Form der Schwangerschaftsverhütung und natürlich auch jede Form von Abtreibung ablehnen, schreien am lautesten, wenn ein Priester aus ihrer Sicht gefehlt hat. Sind denn die Priester, die sich aus der Not, ihr Priesteramt zu verlieren, von ihrer Liebe trennen und vielleicht ihr Kind im Stich lassen, bessere Seelsorger? Kann ich mir nicht vorstellen. Sonst hört man doch ständig: Wer betrügt, der fliegt. Bruno Balz war kein Priester, sondern ein homosexueller Texter unzähliger Schlager und Lieder. Seine von Zarah Leander interpretierte Frage „Kann den Liebe Sünde sein?“ steht von der Kirche unbeantwortet im Raum. Wenn es um Homosexuelle geht, sowieso, wenn’s um Priester geht, auch. Obwohl in der Kirche an jeder Ecke von Gottes Liebe zu den Menschen, Nächstenliebe, Vergebung und weiß der Teufel was noch allem die Rede ist, geht sie selbst in einer unglaublich autoritären und herzlosen Weise mit der Situation um. Hauptsache diskret. Immer alles schön unter dem Teppich halten. Keine öffentliche Diskussion. Schweigen ist Gold. Klar gibt’s Unterhalt. Aber mit persönlicher Zuwendung, einer echten Vater/Kind-Rolle sieht’s mau aus. Vielleicht war Stefan Hartmann ja etwas zu euphorisch ob des neuen Stils aus Rom. Vielleicht verkauft Franziskus nur alten Wein in neuen Schläuchen und die Hoffnung auf Veränderung für die heimlichen Priesterfamilien ist vergebens. Vielleicht ist die Hoffnung, die sich alleine mit dem Namen Franziskus verbindet, aber auch berechtigt und es wird neue Wege geben. Stefan Hartmann wird sich so oder so nicht dauerhaft verbieten lassen, seine Meinung zu vertreten und für eine Reform des Zölibats einzutreten. Das ist er sich und seiner Tochter schuldig. Und das ist auch gut so.
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