Orbans autoritäres Mediengesetz
In der letzten Zeit wurde die Demokratie in Ungarn weiter beschädigt. Die erzwungene Einstellung der regierungskritischen Zeitung Népszabadság ist ein weiterer Schritt zur Abschaffung der Pressefreiheit in Ungarn. Ministerpräsident Orban versucht mit seiner rechten Hetze gegen Immigranten von den wachsenden sozialen Spannungen im Land abzulenken.

Am 23.10. sprach der ungarische Premier Viktor Orban auf dem offiziellen Festakt vor dem Budapester Parlament zu mehreren Tausend Anhängern seiner Fidesz-Partei aufgrund des Aufstandes in Ungarn vor 60 Jahren. Diese mutierte zu einer nationalistischen Hetztirade gegen Flüchtlinge und Muslime. Wie zahlreiche andere ungarische Politiker stellte Orban die Revolution von 1956, die von sowjetischen Truppen blutig unterdrückt wurde, als antikommunistischen Aufstand „für Demokratie und Nation“ dar. In Wahrheit war er der tragisch gescheiterte Versuch ungarischer Sozialisten, die herrschende stalinistische Bürokratie zu stürzen und eine menschlichere sozialistische Gesellschaft zu errichten. Mit nationalistischem Pathos beschwor er den „Freiheitskampf der Ungarn“ und zog eine Linie vom Kampf des christlichen Ungarns gegen die Osmanen zur „Invasion“ der Flüchtlinge im vergangenen Jahr. Passagenweise erinnerte die Ansprache an die Propaganda des faschistischen Horthy-Regimes: „Wir haben uns für unsere eigenen Kinder anstatt für Einwanderer entschieden. Wir sind für Grenzverteidigung statt für erhobene Hände“. Die Europäische Union, der Ungarn seit 2004 angehört, griff Orban auch heftig an. Er sei gegen ein Europa, das in „Lethargie und Illusionen gefangen ist“, während Ungarn „den Weg des Mutes“ beschreite und sich den neuen Herausforderungen stelle. Er warf der EU vor, sie werde von „verblendeten Eliten“ geführt und verhalte sich wie einst die Sowjetunion: „Menschen, die ihre Freiheit lieben, müssen Brüssel vor der Sowjetisierung bewahren; vor Menschen, die uns sagen wollen, wie wir in unseren Ländern zu leben hätten“ (…) Es gibt kein freies Europa ohne Nationalstaaten und die jahrtausendealten christlichen Weisheiten.“ Einziger ausländischer Staatschef auf der zentralen Gedenkveranstaltung war Polens rechtskonservativer Präsident Andrzey Duda. Er sicherte Ungarn seine Unterstützung in der Flüchtlingsfrage zu: „Ihr könnt auf Polen zählen, wir stehen in den schwierigsten Zeiten zusammen“. Orban hat auch in Deutschland hochrangige Unterstützer. So lud ihn der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) am 17. Oktober ein, vor dem bayrischen Landtag zum Ungarnaufstand zu sprechen. Dort bezeichnete Orban die Grenzöffnung von 1989 und die heutige Abschottung der ungarischen Grenze gegen Flüchtlinge als „zwei Seiten einer Medaille“. In beiden Fällen gehe es um den „Schutz der Freiheit“. 1989 hätten die Ungarn die Grenzen für die Freiheit öffnen müssen, heute müsse Ungarn die Grenzen schließen, um die Freiheit zu bewahren. Die Grenzschließung für Flüchtlinge sei eine „Pflicht“. Am 25-10. sprach der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) in seiner Eigenschaft als Bundesratspräsident auf einer Gedenkveranstaltung des ungarischen Parlaments. Obwohl am Sonntag ein riesiges Polizeiaufgebot den offiziellen Festakt in Budapest schützte, gab es eine Gegendemonstration. Mehrere Hunderte Anhänger der liberalen Opposition riefen „Diktator, Diktator“ und pfiffen Orban aus. Teilweise kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Regierungsanhängern und Protestierenden. Zu dem Protest aufgerufen hatte die Partei Együtt (Gemeinsam), ein Spaltungsprodukt der jahrelang regierenden Sozialistischen Partei (MSZP). Orban versucht mit seiner rechten Hetze gegen Immigranten und die Flüchtlingspolitik der EU vor allem von den wachsenden sozialen Spannungen im eigenen Land abzulenken. Die UNICEF hatte bereits im letzten Jahr festgestellt, dass in keinem anderen europäischen Land die Kinderarmut derart hoch ist. Jedes dritte Kind in Ungarn lebe in gesundheitsgefährdenden Umständen, meldete das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen. 36 Prozent der ungarischen Bevölkerung gelten nach EU-Maßstäben als arm, das sind 3,5 Millionen Menschen.