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> Nach dem Japan-Beben

Die Wahlkampf-Katastrophe

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Längst ist die drohende Atom-Katastrophe in Japan auch in Deutschland Wahlkampf-Thema. Zumindest in einem Punkt haben die dramatischen Ereignisse des Wochenendes auch etwas Gutes: Wir sind uns nun sicher, dass Atomkraftwerke niemals sicher sind. Zeit, den Irrtum einzugestehen.

The European

In den Parteizentralen herrscht seit dem Beben am Freitag Alarmstimmung: SPD und Grüne spüren Aufwind, CDU und FDP müssen damit rechnen, die Landtagswahlen "überraschend deutlich zu verlieren":http://www.theeuropean.de/richard-schuetze/6023-kernschmelzen-und-kettenreaktionen. Beide Seiten versuchen sich jetzt zu positionieren, um die Situation für sich zu nutzen bzw. den Schaden in Grenzen zu halten. Auch wenn alle das offiziell bestreiten: Die Katastrophe in Japan ist längst zum Wahlkampfthema geworden.

Nein, Atomkraftwerke sind nicht sicher
Dabei ist die einzige Frage, die wirklich strittig war in der ganzen Diskussion doch seit dem Wochenende beantwortet: Nein, Atomkraftwerke sind nicht sicher. Nein, selbst die hochtechnisiertesten Kulturen sind offensichtlich nicht in der Lage, die Risiken zu kontrollieren. Und ja, wir müssen so schnell wie möglich aus der Kernkraft aussteigen. Hätte man mich vor einer Woche gefragt, eine so klare Antwort hätte man nicht bekommen. Ich war lange Zeit hin und her gerissen. Und war im Zweifel für den Angeklagten – in diesem Fall eben die Atomkraft. Über Jahre standen Aussage gegen Aussage, Gutachten gegen Gutachten. Sowohl Gegner als auch Befürworter hatten vermeintlich gute Argumente auf ihrer Seite, beide Seiten hatten aber auch die gleiche Schwachstelle in ihrer Argumentation: Die Unsicherheit. Egal ob pro oder contra, die Argumente basierten auf Annahmen. Seit dem Wochenende aber wissen wir, wer Recht hatte. Auch wenn Angela Merkel inzwischen ein Moratorium verkündet geht das am Kern des Themas vorbei. Diejenigen unter uns, die bisher wie ich eher Atomkraftbefürworter waren sollten zugeben, dass sie falsch lagen. Das gilt auch für Politiker. Auch wenn es einem Paradigmenwechsel in der Politik gleichkäme und wenn sie – leider – mit Häme und Spott der Gegenseite rechnen müssen. Und so weh es dem einem oder anderen tun mag, zuzugeben, dass in diesem Fall haben Jürgen Trittin und Renate Künast eben Recht gehabt haben und Angela Merkel und Guido Westerwelle Unrecht. Das in diesem Fall einzugestehen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen, das wäre wahre Größe. Und heißt natürlich noch lange nicht, dass es in anderen Politikfeldern nicht ganz anders aussehen kann.
Leugnen hilft nicht
Jetzt zu handeln, am besten im europäischen Verbund, und zwar nicht nur im Sinne eines Placebo bis zu den Landtagswahlen, ist unerlässlich. Wir können nicht "von heute auf morgen":http://www.theeuropean.de/friedemann-mueller/6016-europas-energie-abhaengigkeit die deutschen AKWs abschalten, insofern werden wir mit einem Restrisiko leben müssen. Aber wir müssen den Zeitraum, über den auf deutschem Boden noch Kernkraft genutzt wird, soweit es geht begrenzen. Dazu taugt die Vorgehensweise des rot-grünen Atomkompromisses nicht, noch weniger aber die des schwarz-gelben. Laufzeiten zu verhandeln auf Basis rein ökonomischer Kennzahlen und in Verhandlungen mit den zu reglementierenden Unternehmen verbietet sich. Auch hier müssen Fehler eingestanden und korrigiert werden – und es müssen so schnell wie möglich Szenarien entworfen werden, wie der Ausstieg kurzfristig gelingen kann. Das wird Geld kosten, ganz sicher. Aber einen Tod muss man eben sterben – und spätestens seit dem Wochenende sollte große Einigkeit darüber bestehen, dass die finanzielle Belastung dem realen Tod vorgezogen werden sollte. Es stünde übrigens allen politischen Protagonisten gut zu Gesicht tatsächlich einmal gesamtgesellschaftliche Verantwortungsbereitschaft zu zeigen. Wenn die eine Seite Fehler eingestehen würde und bereit wäre umzudenken und gleichzeitig die andere sich mit Polemik zurückhielte, dann wäre das ein Sieg für die politische Kultur und würde das Ansehen der beschädigten politischen Klasse deutlich steigern.
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