Geschieden, schwul und untreu
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Die Führungsfiguren der schwarz-gelben Koalition passen so gar nicht zum traditionellen Weltbild der Konservativen. Die Hintergründe über die neue Prinzipienlockerheit im bürgerlichen Lager.

Montag. Merkel, Westerwelle und Seehofer stehen zu Koalitionsverhandlungen aufgereiht nebeneinander. Ein tristes Trio lächelt krampfhaft drei Politikerlächeln für die Kameras. Es ist das erste Bild, das die neue Koalition für die Zuschauer und Leser anschaulich macht. Alle sehen auf einmal klarer als zuvor, was für eine Staatsführung die deutschen Wähler sich da ausgesucht haben: eine geschiedene Protestantin aus dem Osten, ein schwuler Schmalhans aus dem Rheinland und ein zum Querulantentum neigender Fremdgeher aus Oberbayern. Huch? Das alles ist auch nicht ansatzweise schlecht, schade oder schlimm . Es ist vielmehr der Ausdruck einer gesellschaftlichen Liberalität, auf die Deutschland stolz sein sollte. Ein offen schwuler Vizekanzler ist eine vielleicht noch nicht zur Genüge gewürdigte Errungenschaft, ähnlich wichtig wie eine Frau als Regierungschefin oder ein Schwarzer als amerikanischer Präsident. Gesellschaftspolitisch repräsentieren die Anführer dieser Regierung den Fortschritt. Es stellen sich aber irritierende Fragen: Ist diese Regierung wirklich das, was sich die rechtere Hälfte Deutschlands wünscht? War aus dieser Richtung nicht immer von einer geistig-moralischen Wende die Rede, und war damit nicht das Gegenteil gemeint von schwul, geschieden, Ehebruch?