Da waren’s nur noch neun
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Nach der Frankfurter Rundschau steht auch die Financial Times Deutschland vor dem Aus. Bisherige Geschäftsmodelle sind gescheitert. Zeit für radikalere Ideen.

_Zehn kleine Zeitungsmacher konnten sich nicht freu’n,_ _das Lesen war im Netz umsonst, da waren’s nur noch neun._ _Neun kleine Zeitungsmacher hatten den Verdacht,_ _auch Werbung bring online kein Geld, da waren’s nur noch acht._ _Acht kleine Zeitungsmacher strichen fleißig Stellen,_ _sieben riefen „Synergie!“, einer ließ sich verprellen._ _Sieben kleine Zeitungsmacher fanden es nicht fair,_ _die ARD war sechsen ein Graus, den einen gibt’s nicht mehr._ _Sechs kleine Zeitungsmacher suchten nach Profit,_ _fünf machten schnell ’ne Landlust, einer kam aus dem Tritt._ _Fünf kleine Zeitungsmacher schlossen ihre Schranken,_ _vier hatten Leser, die bezahlen, einer fing an zu kranken._ _Vier kleine Zeitungsmacher fragten: „Und was ist schon dabei?“_ _„Wir machen jetzt auf Gossip“, da waren’s nur noch drei._ _Drei kleine Zeitungsmacher war’n optimiert auf Klicks,_ _Einer schüttelte den Kopf und rief: „Das ist doch nix!“_ _Zwei kleine Zeitungsmacher warnten: „Es ist zu spät!“_ _„Wir brauchen heut’ mehr Leistungsschutz und nicht mehr Qualität.“_ _Ein kleiner Zeitungsmacher, allein auf weiter Flur,_ _er zeigt auf dieses Internet und fragt: „Was mach ich nur?“_ Das Mediensterben ist auch in Deutschland angekommen. Erst meldete die Nachrichtenagentur dapd "im Oktober":http://www.sueddeutsche.de/medien/mediendienst-nachrichtenagentur-dapd-meldet-insolvenz-an-1.1485386 Insolvenz an, dann musste die „Frankfurter Rundschau” den Gang zum Insolvenzverwalter antreten. Jetzt erwischt es gleich drei Blätter aus dem Hause Gruner + Jahr: Die seit zwölf Jahren erscheinende „Financial Times Deutschland“ sowie die beiden Wirtschaftsmagazine „Börse Online“ und „Impulse“. Für Letztere gibt es potenzielle Interessenten, für die „FTD“ dürften dagegen "bald die Lichter ausgehen":http://www.ftd.de/it-medien/medien-internet/:in-eigener-sache-liebe-leserin-lieber-leser/70119950.html. Für bis zu 330 der 350 Mitarbeiter der Mantelredaktion „Wirtschaft“ von Gruner + Jahr könnte dies das Aus bedeuten. Auch bei der „Berliner Zeitung“ soll jetzt ein Stellenabbau eingeleitet werden - unter anderem, so "berichtet Meedia":http://meedia.de/print/berliner-verlag-abfindungsmodell-fuer-mitarbeiter/2012/11/21.html, weil die Insolvenz der „FR“ auch Auswirkungen auf die Redaktionsgemeinschaft mit den Berliner Zeitungsmachern hat. Die „FTD“ ist hochdefizitär. Seit 2000 soll sich die Summe der Verluste auf bis zu 250 Millionen Euro belaufen, allein in diesem Jahr sollen nach Berichten von ntv fünfzehn Millionen Euro fehlen. Auch die „FR“ schrieb trotz Investitionen von über 100 Millionen Euro in den vergangenen Jahren konstant rote Zahlen. Zwar ist die „FTD“ immer noch die sechstgrößte Tageszeitung Deutschlands, doch die Auflage geht wie bei fast allen Zeitungen stetig zurück. Im dritten Quartal 2012 lag sie noch bei 102.000 Exemplaren – davon 42.000 Abonnenten und 3.000 Exemplare aus dem Einzelverkauf. Lediglich durch Freiexemplare und Promotionen hat sich die Auflage in den vergangenen Jahren gehalten, denn Abos und Einzelverkauf sind seit 2008 um 28 Prozent bzw. 40 Prozent gesunken. Das ist kein Jammern auf niedrigem Niveau, sondern ein Niedergang. Die Konsequenzen sind bekannt: "Ausdünnung der Medienlandschaft":http://www.theeuropean.de/martin-eiermann/11750-journalismus-und-die-filter-bubble, Abwanderung von Redakteuren ins Corporate Publishing, et cetera. Mit diesen Zahlen befindet sich die „FTD“ "in guter Gesellschaft":http://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2012-11/Tageszeitung/komplettansicht. Die Insolvenzen von „FR“ und „FTD“ sind lediglich die Anfänge eines Prozesses, an dessen Ende eine tief greifende Reorganisation der Medien stehen könnte. Die vielfach zitierte Robustheit der deutschen Zeitungslandschaft ist immer mehr ein Ding der Vergangenheit. Man kann, wenn man denn an die selektierende Macht des freien Marktes glaubt, an dieser Stelle einwenden: „Nur der kranke Mann stirbt. Der starke Mann ficht!“ (sarkastisch wie immer: B. Brecht) Insolvente Medien sind nach dieser Logik a) qualitativ schlecht, b) schlecht gemanagt oder c) nicht innovativ genug. Sie hätten es nicht anders verdient. Dieses Argument wäre deutlich plausibler, wenn es nicht gerade der finanzielle Niedergang wäre, der inhaltliche Schwachstellen verschärft hervortreten lässt - und wenn die Krise nur Publikationen treffen würde, die online den Anschluss verpasst haben. Das ist aber nicht so. Die Einführung von Mantelredaktionen, das Zusammenschrumpfen von Korrespondentennetzen und das Ersetzen teurer Formate durch billige Agenturmeldungen sind untrennbar mit der prekären wirtschaftlichen Situation verbunden. Natürlich hat Sascha Lobo Recht, wenn er "auf SPON":http://www.spiegel.de/netzwelt/web/kolumne-von-sascha-lobo-zu-medien-die-krise-der-berichterstattung-a-868195.html argumentiert, dass gedruckte Nachrichten nicht mehr zeitgemäß sind. Der technologische Wandel bedingt einen Wandel redaktioneller Praktiken, journalistischen Selbstverständnisses, Konsumgewohnheiten und möglicher Darstellungsformen. Geschenkt. Es hat einen Grund, warum das Printmagazin von „The European“ keine einzige Nachrichtenmeldung enthält. Rettet die Medien - nicht die Zeitungen. Nur sagt uns diese Feststellung allein nichts darüber, wie denn digitaler Journalismus langfristig finanziert werden kann. Für jeden gewonnenen Online-Werbedollar in den USA sind im vergangenen Jahr 25 Print-Werbedollar verloren gegangen. In Deutschland ist der Werbemarkt zwischen 2007 und 2009 um eine Milliarde Euro geschrumpft. Die irreführende Devise, „mehr mit weniger“ zu machen, reicht nicht aus.