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> Leistungsschutzrecht und Monopolstellung

Das Unternehmen der Herzen

Das Leistungsschutzrecht bekämpft nur die Symptome von Fehlentscheidungen. Aber nicht nur Verlage machen Fehler – wir sind selbst keine Deut besser.

The European

„Das Leistungsschutzrecht wirkt, als würde ein Restaurantbesitzer Geld von einem Taxifahrer verlangen, weil der Taxifahrer seinen Fahrgästen das Restaurant empfiehlt.“ So alt diese "Analogie":http://vimeo.com/54522255 in der Debatte ums Leistungsschutzrecht schon sein mag, so sehr trifft sie noch immer den Kern der Sache: Denn natürlich geht es bei dem umstrittenen Gesetz nicht um den "„Schutz geistigen Eigentums“":http://www.theeuropean.de/jennifer-pyka/5561-streit-um-das-leistungsschutzrecht oder das Geplänkel „digitaler Wutbürger“ mit Hang zur Kostenloskultur. Hätten Verlage ein nachhaltiges Interesse daran, ihre Inhalte von Google fernzuhalten, so würde eine Zeile Code ausreichen, um sich die Suchmaschine dauerhaft vom Hals zu halten.

Bitte, bitte klicken Sie!
Nun basiert das Geschäftsmodell vieler Medienkonzerne im Netz aber seit jeher auf Gratisinhalten. Bitterböse persiflierte das amerikanische Satiremagazin „The Onion“ diese Tatsache unter der Überschrift "„Please Click On Our Website’s Banner Ads“":http://www.theonion.com/articles/please-click-on-our-websites-banner-ads,30513/?ref=auto: Ein Kolumnist gestand dort vor wenigen Tagen den Lesern, dass die Seite ausschließlich dem Verkauf von Werbeplätzen diene. „Genau: die Werbeplätze direkt neben diesem Text. Gefunden? Gut. Nun klicken Sie drauf.“ Wie immer ist das überzeichnet, legt den Finger aber sehr effektiv in die Wunde: Eine ganze Branche versäumt es, ihr _eigentliches_ Produkt – das journalistische Erzeugnis – zu verkaufen und wählt stattdessen den Umweg über die Vermarktung von Gratisinhalten. Eine schlechte Alternative: "Werbung im Netz ist wenig lukrativ, schmälert das eigentliche Produkt":http://www.theeuropean.de/lars-mensel/11000-werbung-im-internet und macht die Verleger obendrein abhängig von Dritten. Nun aber nach einem Leistungsschutzrecht zu rufen, weil andere auf diesen Gratisinhalten ein eigenes, viel lukrativeres Geschäftsmodell aufgebaut haben, bekämpft lediglich die Symptome dieses maroden Modells. Dreh- und Angelpunkt der Debatte ist aber Google – und die Kollegin Pyka stellt ganz zu Recht fest, dass die Kalifornier zum „Unternehmen der Herzen“ avanciert seien. Warum ist das so? Letztlich ist der Konzern nichts als ein profitorientiertes Unternehmen, das selbstverständlich zunächst die eigenen Interessen im Blick hat. Die Kampagne „Verteidige dein Netz“, mit der Google gegen das Leistungsschutzrecht wirbt, mag das nicht so recht verschleiern – "dabei hat man sich alle Mühe gegeben, kräftig auf die Tränendrüse zu drücken":https://www.google.de/campaigns/deinnetz/. Populär ist Google trotzdem: Das liegt daran, dass die Kalifornier selbst mit allen Händen Gratisprodukte austeilen, im Gegensatz zu den Verlagen jedoch äußerst erfolgreich in der Reklame tätig sind. Googles _eigentliches_ Produkt ist die Reklame – alles Weitere ist äußerst schmuckes Beiwerk. Gratis Office-Pakete und Tablets zu Dumpingpreisen? Die Reklame holt den Verlust in diesem Segment früher oder später wieder herein.
Google ist das Internet
Das Kernprodukt bleibt trotzdem die Suchmaschine. Für die Mehrheit von uns ist sie die erste Anlaufstelle im Internet: Über Google wird gefunden, nicht gesucht. Wer braucht noch Lesezeichen, wenn Google alles findet? Zementiert wurde diese Rolle übrigens mit dem wohl klügsten Schachzug der vergangenen Jahre: Im Google-Browser Chrome wurden Adresszeile und Suchmaske kurzerhand zusammengelegt. Navigieren und Suchen wurde konzeptionell vereint: Eine Idee, die sich durchsetzte. Die Suchmaschine avancierte zur De-facto-Türschwelle beim Eintritt ins Netz. Werbung inklusive. Kein Wunder also, dass das Leistungsschutzrecht derart schizophren daherkommt: Die Verlage haben gar kein Interesse daran, Google komplett auszusperren. Die Suchmaschine soll weiter aufmerksame Kunden zu ihren Inhalten liefern, deren Urheber aber bitte schön an den Umsätzen beteiligen. Es ist leicht, nun auf die Verlage und deren Geschäftsmodelle einzuprügeln – ebenso wie es vergebens ist, gegen die Gratiskultur zu wettern und weiterhin kostenlose Inhalte zur Verfügung zu stellen. Stattdessen sollten wir als Internetnutzer auch die eigene Lage analysieren: Wieso ist Google der Konzern der Herzen? Weshalb laufen wir täglich mit solcher Begeisterung in die offenen Arme der Amerikaner, die uns das Netz vorsortieren und dabei Reklame machen? Und warum gibt es keine tatsächlichen Alternativen? Anders gesagt: Ich bin mir nicht sicher, ob uns die Empfehlung des Taxifahrers auch in einigen Jahren noch schmecken wird.
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