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> Lehren aus dem Missbrauchsskandal

Vernichtete Kinder

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Eine Lehre, die wir aus dem Missbrauchsskandal ziehen müssen, ist: Der Weg auf Seiten mit kinderpornografischem Inhalt muss versperrt werden. Was in der Sakristei nicht geht, geht auch im Netz nicht. Alles andere befördert eine Kultur des strukturierten und einstudierten Wegschauens. So eine Kultur wollen wir nicht. Nicht in der Kirche, nicht in der Schule und nicht im Netz.

The European

Im Netz kann nicht von Datenschutz die Rede sein. Denn es geht nicht um Daten über uns, sondern um uns selber. Wir müssen also vom Menschenschutz und nicht vom Datenschutz sprechen. Was wir in sozialen Netzwerken preisgeben, sind keine Angaben über unsere Herkunft oder unseren Wohnort. Das, was wir einstellen, ist nicht ein Spiegelbild von uns, sondern wir selbst oder das, wofür wir uns halten. Die sozialen Netzwerke sind deshalb eher ein Fall für Soziologen und Psychologen denn für Juristen und Politiker.

Kinderpornoseiten löschen
Es gibt also keine Daten mehr über uns, wir sind in unserem Da-Sein auf den Plattformen schon transparent. Es steht nichts mehr für uns da, sondern wir selbst stehen da. Das klingt nach Spitzfindigkeit und scholastischer Begriffsbestimmung. Diese Differenzierung hat aber eine Relevanz und eine handfeste Bedeutung außerhalb des Elfenbeinturms philosophischer Gelehrsamkeit: Es geht im Netz immer um den Schutz des Menschen, die Achtung seiner Würde und seiner Person. Er, der Mensch, ist allemal und immer mehr wert als ein Datensatz. Ein vernichteter Datensatz kann wieder beschafft werden, ein vernichteter Mensch nicht. Weswegen tun wir uns so schwer, Seiten mit kinderpornografischem Inhalt zu löschen, und wenn das nicht geht, sie zu sperren? Das monatelange Hin und Her, die Vorwürfe, es werde nur "Symbolpolitik" betrieben oder einer Zensur Vorschub geleistet, gehen doch am Wesentlichen vorbei: Es spielt keine Rolle, dass man, wenn man will, mit Raffinessen und Methoden an diesen Sperren vorbeikommt. Es spielt eine Rolle, dass die Kinder, die in diesen Pornos gezeigt werden – wirkliche Menschen –, auf einzigartige Weise körperlich und seelisch gedemütigt werden. Gewähren wir einen freien Zugang zu diesen Seiten, ist das ein Plazet der Gesamtgesellschaft. Wir demütigen diese Kinder ein zweites Mal.
Eine Kultur des Wegschauens
Wir brauchen uns nicht nur mit lang gemachtem Zeigefinger vor der Sakristei und dem Lehrerzimmer aufzubauen. Denn was da an Missbrauch geschieht und geschehen ist, liefert das Bildmaterial für Tausende Päderasten im Netz. Auf den Bildern werden Menschen zerstört, keine Datensätze. Was in der Kirche und in der Schule nicht geht, geht auch im Netz nicht. Denn so wie im Netz reale Menschen sind, so ist das Netz selber auch ein realer Raum. Im Netz ist eine Straftat genauso eine Straftat wie außerhalb des Netzes. Eine anders verstandene Virtualität ist eine Illusion. Es gibt auch im Netz ein reales Wegschauen – es verfestigt sich im Moment so strukturell wie das Wegschauen, das in Teilen der Kirche oder in mancher weltlichen Eliteschule üblich geworden ist. Das Nicht-Handeln ist hier wie dort sträflich. Das Versäumnis ist echt. Die Schuld auch.
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