„Der Lebensmittelindustrie geht es nur um Profit“
Thilo Bode ist der Gründer von Foodwatch. Mit Alexandra Schade und Sebastian Pfeffer sprach er über ungesunde Lebensmittel, Verbraucherpolitik und die widerstrebenden Interessen von Verbrauchern und Industrie.

*The European: Mitte März hat Foodwatch eine Studie zu Kinderprodukten vorgestellt, die für ein großes Medienecho gesorgt hat. Es ging darin hauptsächlich um die Frage, ob „Kinderlebensmittel“, die vor allem aus Zucker und Fett bestehen, als solche beworben werden dürfen. Pünktlich zu Ostern gab es eine neue niedliche Werbung für Überraschungseier. Man könnte jetzt böse sein und sagen, der große Aufschlag ist ungehört verhallt …* Bode: Aus unserer Sicht sind Kinderlebensmittel und die Art und Weise, wie sie vermarktet werden, ein Problem. Wir haben für die Studie die Lebensmittel ausgewählt, die ausschließlich für Kinder beworben werden. Das Ergebnis ist, dass die Hälfte der Kinderlebensmittel schlichtweg Süßigkeiten sind. Der Rest ist auch nicht so toll, um es mal bescheiden auszudrücken. Unser Ziel ist es, zunächst eine Debatte darüber in Gang zu setzen, vor allem über die Verantwortung der Industrie. *The European: Und wie läuft der Dialog mit der Industrie?* Bode: Von einem Dialog kann man noch nicht sprechen. Die Industrie zieht sich auf den Standpunkt zurück, Lebensmittel seien noch nie so gut und so sicher wie gegenwärtig gewesen. Es ist völlig illusionär, zu denken, dass sich mit solch einer Studie sofort alles ändern würde. Wir haben auch herausgefunden, dass die Industrie genau an den Produkten am meisten verdient, die ernährungsphysiologisch am minderwertigsten sind. Deshalb ist es nur logisch, dass die Industrie darauf setzt. Hier geht es nicht um die besseren Argumente, sondern um Profit und Besitzstände. *The European: Wir bräuchten also politische Regelungen wie beispielsweise effektivere Kennzeichnungspflichten?* Bode: Wir brauchen Interventionen in den Markt, weil der Markt nicht funktioniert. Wir wollen den Markt so organisieren, dass es einen Wettbewerb um die besten Lebensmittel gibt und nicht einen Wettbewerb um die Lebensmittel, mit denen man am besten Kinder manipulieren kann. Die Frage ist, wo genau man interveniert und wie. Eine Fettsteuer wäre beispielsweise ein weitreichender Eingriff in die Unternehmensfreiheit. Eine Lebensmittelampel wäre dagegen eine einfache und effektive Kennzeichnung von Nährstoffen. Sie wäre ein relativ grundrechtsschonender Eingriff, der aber eine sehr große Wirkung haben kann, wie man aus Tests weiß. Definitiv geht es nicht ohne Regulierung. *The European: Die Ampel ist doch aber endgültig vom Tisch, oder?* Bode: Vom Gesetzesverfahren her ist sie vom Tisch, aber die Probleme der Fehlernährung wie Übergewicht und Fettleibigkeit und das Problem der Gesundheitskosten sind so gravierend, dass wir schätzen, dass die Ampel wieder auf dem Tisch landen wird. Wann sie kommen wird, kann ich Ihnen nicht sagen. 70 Prozent der Verbraucher wollen sie.