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> Kommunale Wasserprivatisierung

Stille Wasser sind teuer

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Eine neue EU-Richtlinie hängt wie ein Damoklesschwert über den Kommunen. Für die Verbraucher allerdings hätte eine Vollprivatisierung der Wasserversorgung vor allem Nachteile.

The European

Der Zugang zu Wasser soll kein Menschenrecht mehr sein, das lebenswichtige Gut Wasser soll ein Konsumgut wie jedes andere werden. Um nichts weniger als diese fundamentale Weichenstellung geht es bei der von der EU-Kommission vorgeschlagenen neuen Konzessions-Richtlinie. Die EU-Kommission will damit ihren neoliberalen Kurs in der Wasserversorgung mit einer Pflicht zur EU-weiten Ausschreibung von Konzessionen durchsetzen. Von den neuen Regeln aus Brüssel sollen nur diejenigen Kommunen ausgenommen werden, die ihre Wasserversorgung noch komplett in öffentlicher Hand haben. In der Vergangenheit hat aber gerade die EU-Kommission die Städte und Kommunen aufgefordert, Private an der Wasserversorgung zu beteiligen. Dem sind viele Städte, auch in Deutschland, aufgrund finanzieller Engpässe gefolgt. Mittels politisch erzeugter Finanznot und „Schuldenbremse“ wurden die Kommunen zum Anteilsverkauf öffentlicher Unternehmen bzw. zu Verträgen nach dem Public-Private-Partnership-Modell gezwungen.

Damoklesschwert der Vollprivatisierung
Genau das kann diesen Kommunen nun zum Verhängnis werden. Fatal an der vom Binnenmarktausschuss vorgelegten Version des Richtlinienentwurfs ist: Da in Deutschland inzwischen die Mehrheit der etwa 900 Stadtwerke private Partner haben, stehen diese Stadtwerke unter dem Damoklesschwert der Vollprivatisierung. Denn am Ende der Laufzeit der aktuell vergebenen Konzession hätten sie aufgrund der neuen EU-Richtlinie nicht mehr das Anrecht auf eine automatische Verlängerung, die Konzession müsste dann vielmehr in Gänze EU-weit neu ausgeschrieben werden. Das heißt – da es keine geteilten Konzessionen gibt – nicht nur die 24,9 Prozent oder 49,9 Prozent, mit denen die privaten Unternehmen bisher an den Stadtwerken beteiligt waren, müssten neu ausgeschrieben werden, sondern die Konzession käme als Ganzes auf den Markt. Mit den Dumping-Angeboten, die die kapitalkräftigen privaten Großunternehmen dann vorübergehend einsetzen können, kann kein kommunaler Betrieb konkurrieren. Für private Investoren ist das Vorhaben durchaus lukrativ: Auf eine dreistellige Milliardenhöhe schätzen Analysten das Potenzial des Wassermarktes in der EU. Die Versprechungen, die mit den Wasserprivatisierungen einhergehen, sind exorbitant: Besserer Service, sinkende Preise und Investitionen ins Wassernetz werden in Aussicht gestellt. Doch die Realität spricht eine andere Sprache. Welche Folgen die Wasser-Privatisierungen nach sich ziehen, zeigen die Beispiele in England und Portugal. In London sind Verunreinigungen im Trinkwasser durch Leckagen, die Dauer-Zugabe von Chlor und immer mehr Rohrbrüche die Folge. Über 20 Prozent des Wassers versickern im Boden, in den oberen Stockwerken von Mietshäusern bleibt die Versorgung teilweise aus, da kaputte Leitungen und Lufteinschübe die Zufuhr stoppen. Die Modernisierung der Leitungsinfrastruktur rentiert sich für private Investoren nur selten. Auch in Berlin ist dieses Phänomen zu beobachten: Drei Wasserwerke wurden nach der Teilprivatisierung der Wasserversorgung geschlossen und der Personalbestand der Berliner Wasserbetriebe wurde massiv abgebaut. Aufgaben der Nachhaltigkeit wie Netzrehabilitation, Energieeffizienz und Reinigungsqualität werden nur unzureichend angegangen. Erhaltungsaufwendungen werden als „Investition“ abgerechnet, darunter leidet die Substanz des Rohrleitungsnetzes. Die Gewinne sind zu Gunsten der Privaten ungleich verteilt, das Land Berlin haftet für die Gewinne der privaten „Partner“ und hat sich obendrein seiner Entscheidungsbefugnisse beraubt. Denn die betriebliche Führung liegt, auch nach dem überteuerten Rückkauf der Anteile von RWE, beim privaten Minderheitseigner Veolia. Das Land hat, obwohl es nun mit 75 Prozent der Anteile Mehrheitseigner ist, weiterhin nichts zu sagen. Die Portugiesen zahlen mittlerweile einen 400 Prozent höheren Preis als noch vor wenigen Jahren, gleichzeitig ist das Leitungswasser in weiten Teilen des Landes nicht mehr trinkbar. Wären die Kommunen finanziell souverän genug gewesen, gemeinwohlorientierte Privatisierungsverträge zu fordern, wäre es nicht zum Abschluss solcher Verträge gekommen: für die privaten Konzerne wäre die zu erwirtschaftende Rendite zu gering gewesen. Auch in Berlin sind nach 13 Jahren „Öffentlich-Privater Partnerschaft“ (PPP) die Wasserpreise um 35 Prozent gestiegen. Die Berliner zahlen im deutschen Städtevergleich die höchsten Wasserpreise. Sie sind so hoch, dass das Bundeskartellamt am 5. Juni 2012 eine Preissenkungsverfügung gegen die Berliner Wasserbetriebe (BWB) wegen „missbräuchlich überhöhter Trinkwasserpreise“ erlassen hat. Der Zwang zur Privatisierung der Daseinsvorsorge gefährdet eine über Jahrzehnte steuerfinanziert aufgebaute Infrastruktur höchster Güte. Statt Schuldenbremsen brauchen wir in den Ländern, Städten und Gemeinden Privatisierungsbremsen, die garantieren, dass öffentliches Eigentum im Bereich der Daseinsvorsorge vor dem Zugriff privater, gewinnorientierter Investoren geschützt wird.
Die Kritik zeigt Wirkung
Wie wichtig den Bürgerinnen und Bürgern eine gemeinwohlorientierte, demokratisch kontrollierte Wasserversorgung in öffentlicher Hand ist, zeigt die europäische Bürgerinitiative „Wasser ist ein Menschenrecht“, www.right2water.eu, die bisher über eine Million Menschen unterzeichnet haben. Der Druck auf die EU-Kommission, das EU-Parlament sowie die nationalen Parlamente und Regierungen wächst. Seit der Verabschiedung des Richtlinienentwurfs im federführenden Binnenmarktausschuss des EU-Parlamentes schlägt den Befürwortern der neuen Konzessions-Richtlinie harter Gegenwind ins Gesicht. Der Umgang mit dem Votum wird erweisen, wie ernst es der EU mit Transparenz, Demokratie und Bürgerbeteiligung ist. Die Kritik zeigt Wirkung. Am 21.02.2013 kündigte EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier in der Ausschusssitzung für Binnenmarkt und Verbraucherschutz Nachbesserungen an. Die traditionelle Strukturierung öffentlicher Unternehmen in den Mitgliedstaaten sei stärker zu respektieren, so Barnier, Mehrspartenunternehmen (also Unternehmen, die beispielsweise neben Wasser auch Energie anbieten) sollten weniger häufig in eine europaweite Ausschreibung des Wasserbereiches gezwungen werden. Entwarnung ist dennoch nicht angesagt, denn auch die nachgebesserte Konzessionsrichtlinie greift erheblich in die kommunalen Strukturen der Wasserwirtschaft in Deutschland ein. Kommunalpolitische Gestaltungsfreiheit wird durch europaweit verbindliche Richtlinien aus Brüssel ersetzt. Mehr Rechtssicherheit für die kommunale Wasserwirtschaft könnte nur durch eine generelle Ausnahmeregelung für die Wasserwirtschaft erreicht werden.
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