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> Kerstin Bunds „Glück schlägt Geld“

Was wir wirklich wollen

Viel wurde über die „Generation Y“ geschrieben – jetzt schlägt auch die Journalistin Kerstin Bund in diese Kerbe. Lohnt die Lektüre?

The European

Noch ein Selbstfindungsbuch? Noch eine Journalistin, die uns die Welt erklärt, wie sie ihr gefällt? Das waren meine ersten Gedanken, als ich das Buch von Kerstin Bund („Glück schlägt Geld“) in den Händen hielt. Vor sieben Jahren erschien „Wir nennen es Arbeit“ von Holm Friebe und Sascha Lobo, ein Buch über die „Digitale Bohème“, eine neue Klasse von Selbstständigen, die mit Hilfe neuer Technologien dem alten Traum vom selbstbestimmten Arbeiten ein gutes Stück näher kommt („Etwas Besseres als die Festanstellung finden wir allemal“). Das Buch beschrieb den Trend zu mehr (prekärer) Selbstständigkeit und ist heute ein Klassiker, der in den Regalen verstaubt wie die Piraten in den Parlamenten.

Sinn geht vor Status
„Glück schlägt Geld“ wird kein Klassiker werden. Die Analyse versteht sich eher als Momentaufnahme. Ihr Leitbild ist nicht mehr die digitale Bohème und ein Leben jenseits des Normalarbeitsverhältnisses, sondern die Generation „Flexicurity“, die beides will: Sicherheit und Autonomie, Kinder und Karriere. Doch wollten das nicht auch schon Generationen vor ihr, die Babyboomer oder die Generation X, die in den 1980er-Jahren erwachsen wurde? Die „Generation Y“, geboren in den 1980er- und 1990er-Jahren, wurde um die Jahrhundertwende erwachsen und will nicht arbeiten bis zum Umfallen. Sinn geht ihr vor Status und das eigene Lebensglück ist ihr wichtiger als alles Geld der Welt. Politisch ist diese Generation noch nicht groß in Erscheinung getreten. Wo die Babyboomer ganze Parteien verändert oder neu gegründet haben, lässt die „Generation Heiapopeia“ (Joschka Fischer) ein Projekt oder gar Programm vermissen. Das fällt auch Kerstin Bund auf, wenn sie die aktuelle Rentenpolitik der Großen Koalition kritisiert („eine Verheißung für die Alten und eine Verschwörung gegen die Jungen“) und ein Aufbegehren der jüngeren Politiker vermisst. Und das ist das eigentliche Problem: Die heute 20- und 30-Jährigen lassen sich politisch kaum noch einordnen. Sie sind mal links, mal konservativ und dann wieder liberal. Statt in die Parteien und Institutionen marschieren sie lieber in die Unternehmen und Betriebe. Dort entscheidet sich die Zukunft, schreibt die Autorin.
Anders arbeiten und leben
Nicht Anwesenheit und das Absitzen von Stunden soll zählen, sondern Ergebnisse. Aus Managern sollen Mentoren werden, die Feedback geben und um Akzeptanz und Fachkräfte werben. Schließlich sitzen die Jüngeren in Zeiten von Demografie und Fachkräftemangel am längeren Hebel und können sich ihre Arbeitgeber zunehmend aussuchen. Die „Generation Y“ sei so etwas wie ein „Beschleuniger“ und setze sich für das ein, was sich viele Menschen schon lange wünschen: Zeitsouveränität und eine bessere Vereinbarkeit und Vermischung von Beruf und Familie – für beide Partner. Doch wollen nicht auch die Älteren anders arbeiten und leben? Studien zufolge steht das Bedürfnis nach mehr Autonomie und Zeitsouveränität auch bei ihnen ganz oben. Auch den Älteren geht es um mehr Freiheit und um mehr Individualität. „Im Grunde wollen wir das Gleiche.“ Nur wie? Die „schöne neue Arbeitswelt“ ist unterhaltsam beschrieben, wie ein langer „Zeit“-Essay. Wir erfahren viel über das tolle Arbeiten und Leben bei Google, der Bahn oder Microsoft und hätten gerne etwas über die „Zeit“ oder den „Spiegel“ als Arbeitgeber erfahren. Stille Revolutionen rufen weniger stille Gegenrevolutionen auf den Plan. Und diese verfügen über mehr Ressourcen und Macht, auch in den Medien. Die „Generation Y“ ist zwar zur Verantwortung bereit, hat aber ein Problem mit der Macht. Führung ist ihr nicht wichtig, schreibt Bund. Anerkennung, Freude und ein Projekt erfolgreich abschließen sei wichtiger. Sicher, die beste Führung ist die, die der einzelne Mitarbeiter nicht spürt. Und flache Hierarchien sind nicht nur Folge von mehr Demokratie und Freiheit, sondern in der Regel pure Notwendigkeit: je flacher und dezentraler, desto effizienter und verantwortlicher. Die beste Ausbeutung im neuen Kapitalismus ist die Selbstausbeutung. _"Kerstin Bund: Glück schlägt Geld. Generation Y: Was wir wirklich wollen. 200 Seiten. Murmann Verlag. 19,99 EUR()":http://www.murmann-verlag.de/buch/gl%C3%BCck-schl%C3%A4gt-geld_
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